Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
Bulleninstinkte an, und er griff hektisch nach seinem Dienstrevolver im Hüftholster.
»Würde ich nicht machen, wenn ich Sie wäre«, warnte Chase.
Offenbar hatte der Beamte es sich anders überlegt, er griff stattdessen nach dem Türgriff, als hätte er auch nur eine Chance, zu entkommen. Er zerrte am Hebel, aber die Tür öffnete sich nicht, auch nicht nach wiederholten Versuchen, mit der anderen Hand das elektronische Türschloss zu betätigen. »Verdammt!«
Chase starrte ihn ungerührt an. »Wird Ihnen auch nichts nützen.«
Nichtsdestotrotz versuchte Avery es weiter vergeblich mit Schloss und Türgriff, die Chase mental verschlossen hatte. Dann wurde der alternde Bulle plötzlich verzweifelt und rammte den Ellenbogen auf die Hupe. Das fröhliche japanische Tuten ertönte wie ein Schrei, doch dann packte Chase den Mann am Arm und zwang ihn, ihn anzusehen. »Das war keine gute Idee.«
»Was haben Sie vor? Mich hier auf dem verdammten Parkplatz kaltzumachen?«
»Wenn ich das wollte, würden Sie jetzt nicht hier sitzen und sich in die Hosen machen, Detective.«
»Oh Gott«, stöhnte Avery. »Was zum Teufel ist hier los? Was ist das mit Ihrem Gesicht?«
In der Fensterscheibe auf der Fahrerseite sah Chase die beiden glühenden Kohlen seiner Augen im dunklen Wageninneren gespiegelt. Er sah monströs aus, wie ein wildes Tier. Wahnsinnig. Auch nicht annähernd menschlich. Er biss die Zähne zusammen und spürte die scharfen Spitzen seiner Fänge an seiner Zunge.
Der Anblick seines Spiegelbildes erinnerte ihn an einen anderen, ähnlichen Augenblick, der noch nicht lange her war. Damals, vor etwas über einem Jahr, hatte Chase auch mit glühenden Augen und zum Töten ausgefahrenen Fängen in einem dunklen Wagen gesessen und hatte in das entsetzte Gesicht des menschlichen Drogendealers gestarrt, der seinen Neffen Camden mit seiner Ware in die Blutgier getrieben hatte.
Chase war damals so selbstgerecht gewesen, so überzeugt davon, dass er Camden retten konnte. Stattdessen war er derjenige gewesen, der ihn getötet hatte. In seinem Kopf hallten immer noch die Schüsse wider, die dem Jungen in jener Nacht den Brustkorb zerfetzt hatten. Immer noch konnte er das kalte Metall in seiner Hand spüren, den Rückstoß in seinem Bizeps und die plötzliche Stille, die folgte. Den Geruch von verschossener Munition und Blut in der Luft, als der wilde Kummerschrei der Frau, die er einst für sich gewollt hatte, die Nacht zerriss.
Und jetzt war Chase selbst der Junkie, der Verdammte. Nicht weil er Crimson probiert hatte – die Droge, die im vorletzten Herbst das Leben des jungen Camden und einiger seiner Freunde zerstört hatte – , sondern wegen seiner eigenen Nachlässigkeit und Schwäche. Die Krönung eines Lebens voller Versagen. Sein egoistisches, unersättliches Bedürfnis, eine Leere zu füllen, die tief in ihm klaffte, würde ihn nun endgültig verschlingen.
Er fühlte sich elend, als der Detective außer sich vor Entsetzen sein transformiertes Gesicht anstarrte. Seine Augen waren so groß wie Untertassen, sein Mund stand offen, und dann drang ein keuchendes Stöhnen aus seiner Kehle. »Mein Gott, was bist du? Was zum Teufel willst du von mir?«
Chase stieß einen Fluch aus. So hatte er die Sache nicht geplant – er hatte nicht vorgehabt, dem Menschen seine wahre Natur zu zeigen, aber dafür war es jetzt zu spät. Er würde sich darum kümmern, sobald er die Information bekommen hatte, die er haben wollte.
»Wo ist sie?« Chase beugte sich nahe an ihn heran, das Ungeheuer in ihm geiferte angesichts des Angstgeruchs des Mannes. »Ich muss Tavia Fairchild finden.«
Trotz seiner Angst und Verwirrung blitzte in den Augen des Detective ein trotziger Funken auf. »Denkst du, das sage ich dir, damit du sie auch umbringst? Fick dich.«
Dafür zollte Chase ihm Respekt. Bulle oder nicht, es gab nicht viele seiner Spezies, die anderen, die sie kaum kannten, diese Art von Loyalität bezeugten. Und das, während sie in das Gesicht eines wandelnden Albtraums starrten. In Chases Erfahrung waren zu dieser Art von Loyalität nur Lakaien fähig, und das zum Preis ihrer eigenen Seelen. Detective Avery hier war noch sehr lebendig und hatte Angst, und doch starrte er Chase an, offenbar gestärkt von einem unverletzlichen Ehrgefühl.
Dieses Gefühl hatte auch Chase einst gekannt. Vor so langer Zeit, dass er es kaum noch erkannte.
Aber das lag alles hinter ihm. Der Mann, der er heute war, brachte diesen anständigen Menschen dazu,
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