Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
anbellte.
»Ruf meine Leutnants zusammen«, fauchte er. »Ich will jeden Einzelnen von ihnen in der nächsten Stunde auf einer Videokonferenz haben. Sie sollen sich für neue Befehle bereithalten.«
Rowan atmete heftig durch die Zähne ein, als Chase ihm das letzte Blut von seiner klaffenden Wunde am Hinterkopf wischte.
»Verdammt, tut das weh. Und du bist so ungeschickt. Als Krankenschwester wärst du ein Albtraum.«
Chase knurrte. »So was war noch nie meine Stärke.«
»Was du nicht sagst. Bist du endlich fertig?«
»Fertig.« Seine eigenen Verletzungen von der Schlacht in der Klinik hatte Chase bereits verbunden, nachdem er und Rowan die Küche seines Dunklen Hafens zu einem improvisierten Feldlazarett gemacht hatten, während Tavia sich in einem der Gästezimmer im Obergeschoss frisch machte und dann ausruhte. Das Anwesen war still, bis auf das gelegentliche Stimmengemurmel in anderen Teilen des Hauses, wo Rowans Verwandte wohnten – allesamt Zivilisten, eine Handvoll jüngerer Brüder und Neffen, einige von ihnen mit eigenen Stammesgefährtinnen.
Chase warf die blutgetränkten Tupfer in den Müll und beäugte den Agenten mit einem Seitenblick. »Wann bist du das letzte Mal im Dienst verletzt worden?«
Rowan zuckte mit den Schultern. »Vor meiner Beförderung zum regionalen Direktor? Schwer, eins draufzubekommen, wenn du die meiste Zeit hinter einem Schreibtisch sitzt und Papierkram machst.«
»Ich dachte, du weißt, was der Job mit sich bringt, als du dich dafür beworben hast.«
»Ich habe mich nur beworben, weil du ihn nicht haben wolltest«, sagte Rowan. »Du weißt, der Direktorenposten war damals schon für dich reserviert. Hölle noch mal, es war Tradition, dass er an dich gehen sollte. Den Job hat ein Chase gemacht, seit die Agentur eine Niederlassung in Boston hat.«
Tatsächlich seit über zweihundert Jahren.
Zuerst war es Chases Vater, dann Quentin, Chases Bruder, gewesen. Es war sechs Jahre her, seit Quent im Dienst gefallen war. Jeder in der Familie und der Agentur hatte angenommen, dass Chase den Posten übernehmen würde. Doch nachdem der Schock und der Kummer über seinen Tod etwas abgeklungen waren, hatte Chase sich stattdessen in die Arbeit im Feld gestürzt, hatte Straßenpatrouillen und andere unbeliebte Aufgaben übernommen, die normalerweise den Neulingen und den Disziplinarfällen gegeben wurden. Arbeit, bei denen sie sich die Hände dreckig machen, etwas Kampferfahrung sammeln sollten, bevor sie anfingen, sich für höhere Posten oder politische Gefälligkeiten innerhalb der Agentur zu bewerben.
Für Außenstehende hatte es so ausgesehen, als ob Chase sich aus Ehrgefühl und Mut gegen den Direktorenposten entschieden hatte. Ein trauernder Bruder, der einzige überlebende Sohn eines der angesehensten Männer der Stammesgesellschaft, hatte sich von Titeln und Privilegien abgewandt, um die Familientradition von selbstlosem Dienst im Schützengraben weiterzuführen.
In Wahrheit hatte es mit alldem nichts zu tun. Chase konnte den Gedanken nicht ertragen, dem Vorbild Quentins und seines Vaters gerecht werden zu müssen. Sein Erfolg hätte sich nie mit den unerreichbaren Standards messen können, die sie gesetzt hatten, verglichen mit ihnen hätte er nur versagt, und das hätte er nicht ertragen können. Von dieser Scham, der er sich zutiefst bewusst war, hatte Chase sich selbst heute noch nicht frei machen können.
Also hatte er die Verantwortung gescheut.
Er war vor ihr davongelaufen, eine Schande, die nur noch schlimmer wurde, weil alle gedacht hatten, dass er aus derselben Integrität heraus handelte wie seine Familie vor ihm. Und diese Fassade hatte er all diese Jahre aufrechterhalten. Selbst nachdem er dem Orden beigetreten war, hatte er weiter seine selbstgerechte Rolle gespielt. Aber lange hatte es nicht gedauert. Nein, sie hatten ihn schon bald durchschaut.
Er war sein ganzes Leben lang ein Hochstapler gewesen. Nach außen strahlend und makellos, während in ihm der Selbsthass schwärte. Und als Quent getötet wurde, wurde es noch schlimmer. Seit seine Sucht, dieser gefährliche Tanz mit der Blutgier, immer stärker wurde, war es Chase nicht länger wichtig, die Maske aufzubehalten, hinter der er sich so lange versteckt hatte. Es war ihm zu anstrengend. Jetzt trug er seine Krankheit für alle sichtbar. Sogar seine Gabe, die Schatten zu lenken, hatte ihn schon so gut wie verlassen. Jetzt war er völlig nackt und bloßgestellt, konnte sich nicht mehr verstecken.
Rowan
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