Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
Bombe im Serverraum«, schrie er und winkte sie zurück. »Ich habe zwei Lakaien getötet, die sie aktiviert haben, aber der Countdown läuft, wir müssen sofort weg hier!«
Sie rannten zum vorderen Fenster der Klinik und hatten es kaum aus dem Gebäude geschafft, als ein tiefes Grollen ertönte, das sich unter der Erde auszubreiten schien.
Es wurde immer lauter, und das Beben nahm zu, während die drei über die verschneite Wiese eilten.
Die Explosion war ohrenbetäubend.
Der ganze Nachthimmel flammte auf, als Dr. Lewis’ Klinik – und die Geheimnisse und Lügen von Jahrzehnten – in einem Ball aus Feuer, Rauch und fliegenden Trümmern explodierte.
21
Der antike Stuhl auf Dragos’ Inselversteck war seit über einem Jahrhundert in seinem Besitz. Das unbequeme, sperrige Ding war ein Thron, geschnitzt aus sechshundert Jahre altem walachischen Eichenholz, und stammte aus einer alten Kirche in den südwestlichen Karpaten. Laut der Legende hatte der Thron mit dem polierten Sitz und den Armlehnen mit den Drachenköpfen einst einem blutdürstigen Herrscher des Mittelalters gehört, dessen Name in den meisten Menschen auch heute noch Furcht und Schrecken hervorrief.
Normalerweise fand Dragos solche Folklore höchstens amüsant. Heute Nacht beneidete er den ehemaligen Eigentümer des Stuhles um die Todesangst, die er in seinen Untergebenen ausgelöst hatte.
Heute Nacht dürstete Dragos danach, dasselbe wilde Entsetzen zu verbreiten – nicht nur unter denen, die ihm dienten, sondern auf der ganzen Welt.
Es hatte am Nachmittag damit begonnen, dass der Vizepräsident der Vereinigten Staaten nicht bei Senator Clarences Trauergottesdienst erschienen war. Sicherheitsbedenken hatten ihn gezwungen, seinen Auftritt in Boston in letzter Minute abzusagen. Seine Fahrt im Tageslicht war völlig umsonst gewesen, und auch die mit Warten vertane Stunde in der Menge der Gottesdienstbesucher hatte nicht dazu beigetragen, seine Stimmung zu heben. Genauso wenig wie die Tatsache, dass seine Anrufe im Büro des Politikers jetzt an diverse Mitarbeiter umgeleitet wurden, die ihm höflich einen Gesprächstermin irgendwann in der zweiten Jahreshälfte anboten, vorher sei leider nichts zu machen.
Dragos fauchte schon beim Gedanken daran.
Er grub die Fingernägel in die hölzernen Armlehnen des Throns von Vlad, dem Pfähler, als er in den Nachrichten den Bericht von einem Großbrand auf einem Privatgrundstück beim Städtchen Sherborn sah.
Es war nicht der Verlust von Dr. Lewis’ Klinik, weshalb er so wütend war; die Zerstörung des Gebäudes und der Datensammlung war auf seinen eigenen Befehl geschehen, er hatte das veranlasst, kurz nachdem er vom Tod seines Lakaien-Arztes erfahren hatte.
Es war die Tatsache, dass sein eigens dafür ausgesandter Killer noch nicht mit Tavia Fairchild zurückgekommen war, die ihn vor Wut zum Kochen brachte. Er hatte den Killer zu Sonnenuntergang losgeschickt, um sie zu holen, weil er damit rechnete, dass sie schon bald in der Klinik auftauchen würde. Ihre Neugier über ihre wahre Abstammung würde sie ihrem Herrn und Meister direkt in die Hände treiben. Dragos hatte sich schon so darauf gefreut, die schöne Tavia in allen Arten, ihm Lust zu bereiten, zu unterweisen, jetzt, wo die Fassade ihres Lebens als Normalsterbliche endgültig zusammengebrochen war.
Aber der Killer hatte versagt und Dragos seine Beute nicht gebracht.
Eine Panne mehr an einem Tag voller Rückschläge und Ärgernisse.
Er war mit seiner Geduld am Ende, und nun würde er keine weiteren Verzögerungen mehr dulden, endlich sein Geburtsrecht in Besitz zu nehmen.
Mit einem wilden Fluch sprang Dragos von seinem Thron auf, packte die unbezahlbare Antiquität und hob sie in die Höhe. In einem Wutanfall warf er sie gegen den massiven steinernen Kamin, der eine ganze Raumseite einnahm. Der Stuhl prallte gegen die hoch aufragende Wand von Granitfelsen und Mörtel und zerschellte in Stücke.
Sechshundert Jahre Geschichte aus einer Laune heraus in Splitter verwandelt.
Dieser totale Verlust – die Zerstörung, die nicht mehr rückgängig zu machen war – erfüllte ihn mit einer Befriedigung, die so real und instinktiv war wie der explosivste Orgasmus. Dragos genoss das Machtgefühl, das durch seine Adern rollte. Er trank davon, nährte sich von ihm wie von frischem, Leben spendendem Blut.
Er kochte vor Wut, berauscht von seiner eigenen Grandezza, als er durch die Tür seiner Privatgemächer platzte und einen seiner Lakaien
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