Erwählte der Ewigkeit (German Edition)
erlösen. Dass er sich den Menschen ergeben hatte, war seine letzte Anstrengung gewesen – ein schwacher, vergeblicher Versuch, Erlösung zu finden, indem er seine Freiheit für sie opferte. Er hatte nicht gedacht, dass er Lucan, Dante, Tegan und dem Rest des Ordens jemals wieder gegenübertreten würde. Und ihre verständliche Verachtung für ihn wollte er jetzt weiß Gott nicht sehen. »Du wirst dir für mich die Ehre geben müssen«, sagte er Rowan. »Ich habe nicht vor, so lange zu bleiben.«
»Wohin willst du denn gehen?«
Die Frage war nicht herausfordernd gemeint, aber die Besorgnis darin war Chase auch nicht willkommen. Er stand auf und begann, rastlos in der Küche auf und ab zu gehen. Direkt über seinem Kopf war das Gästezimmer, wohin man Tavia bei ihrer Ankunft gebracht hatte. Ihre Dusche lief noch, er konnte das gedämpfte Quietschen alter Kupferrohre durch die dicken Wände hören. »Sie ist schon lange da oben. Denkst du, sie ist okay?«
»In Anbetracht dessen, was sie heute durchgemacht hat, würde ich sagen, sie hält sich bemerkenswert gut.«
»Tut sie«, sagte Chase. »Tavia ist … bemerkenswert.«
Er dachte an die letzten paar Tage und Nächte zurück. All die erstaunlichen Enthüllungen. Die unerwartete Besorgnis – die ungewollten Gefühle, die er für eine Frau empfand, die vor nicht einmal einer Woche noch eine Fremde für ihn gewesen war. Und ja, da war noch die zusätzliche Komplikation, dass er sie begehrte.
Noch mehr Grund, hier schleunigst seine Zelte abzubrechen, bevor er sich noch tiefer verstricken ließ.
»Scheiße.« Chase fuhr sich mit der Hand über den Kopf und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich muss los. Ist besser so. Besser für sie. Hölle noch mal, und für mich auch.«
Rowan musterte ihn jetzt. Der kluge Agenturdirektor hatte sofort verstanden, was zwischen Chase und Tavia geschehen war und dass Chase auch das vergeigt hatte. »Was soll ich ihr sagen?«
Chase fluchte wieder, dieses Mal heftiger. »Sag ihr einfach, dass es mir leidtut. Das alles.«
22
»Glaubst du, es ist wahr?« Lucan stand in Gideons provisorischer Computerzentrale, eine Schulter an die Wand gelehnt. »Kann Dragos wirklich eine weibliche Stammesvampirin in seinen Labors gezüchtet haben?«
Gideon sah von dem Computerterminal auf, an dem er gerade arbeitete. Sein Blick über dem Rand seiner hellblau getönten Brille war ernst. »Nach dem, was ich in dem Tieftemperatur-Lagerbehälter gefunden habe, den Hunter uns aus New Orleans mitgebracht hat, würde ich sagen, das ist absolut möglich.«
Er rollte seinen Stuhl über die polierten Dielenbretter zu einem anderen summenden Computer. »Siehst du das hier?« Er zeigte auf ein Schaubild auf dem Monitor, und Lucan stapfte hinüber, um es sich anzusehen. »Das ist nur eine von einem Dutzend Analysen, die ich seither mit den Genproben aus dieser Eiskiste gemacht habe. Wir haben es hier mit unzähligen Proben zu tun, Lucan, und zwar von dem Ältesten, seinen im Labor gezüchteten Nachkommen und über zwanzig Stammesgefährtinnen. Verdammt, sogar ein paar Proben von Normalsterblichen habe ich in diesem Tank gefunden. Dragos hat DNA , Blutzellen, Stammzellen, Embryos gesammelt – Material, um eine ganze Generation von Genetikern in seinen Labors zu beschäftigen.«
»Herr im Himmel«, murmelte Lucan.
»Und das sind nur die brauchbaren Präparate«, fügte Gideon hinzu. »Im zweiten Behälter waren noch mehr, aber durch die Beschädigung des Tanks wurde die Versiegelung geöffnet und der Inhalt zerstört.«
»Was ist das da drüben?«, fragte Lucan und zeigte auf einen weiteren Monitor, auf dem eben eine lange Datenliste durchlief. Der Bildschirm war geteilt, auf der unteren Bildschirmhälfte liefen in rasender Folge Codesequenzen durch, die obere Hälfte zeigte eine Reihe von Feldern. Nur die drei ersten Felder waren mit einer feststehenden Nummer ausgefüllt: 5, 0 und 5.
»Das«, sagte Gideon, »ist ein kleines Dechiffrierprogramm, das ich gestern geschrieben habe. In die meisten Labordaten konnte ich mich ohne Probleme einhacken, aber eine Datei ist noch mal extra passwortgeschützt. Mit meiner üblichen Trickkiste kam ich da nicht ran, also versuche ich’s jetzt anders.«
»Und, funktioniert’s?«, fragte Lucan und sah zu, wie der Code in schwindelerregendem Tempo auf dem Bildschirm durchlief.
»Schon«, sagte Gideon. »Nur viel langsamer, als ich gehofft habe. Das Programm läuft jetzt seit etwa vierundzwanzig Stunden, und das ist
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