Erwarte mich in Paris (German Edition)
als dränge sie sich mit jeder Minute näher an mich heran. Ich tat so, als müsse ich meine Beine ausstrecken und rückte dabei etwas zur Seite. Ihre zaghaften Berührungen sollten mir eigentlich nichts ausmachen, immerhin würden wir dieses Jahr noch heiraten … Bei diesem Gedanken sträubten sich mir die Haare. Nicht dass mit Sara irgendwas nicht stimmte. Sie war niedlich …
Mein Vater, der mir gegenüber im Kreis der erwachsenen Männer saß, nickte mir auffordernd zu. Er hatte mich erst vor wenigen Tagen gefragt, ob ich irgendwelche Bedenken wegen Sara hätte. Die Sippe fand es seltsam, dass ich keine Anstalten machte, sie zu umwerben oder mich ihr wenigstens sachte zu nähern. „Ich bin noch nicht so weit“, hatte ich gesagt und unbehaglich die Schultern hochgezogen. „Red nicht, Sohn. Du bist im heiratsfähigen Alter. Es wird Zeit, dass du eine Familie gründest.“ Ich versuchte den Gedanken an dieses Gespräch wegzuschieben.
Sara legte ihre Hand wie zufällig auf mein Knie. Sie schien von mir irgendwas zu erwarten, dass spürte ich genauso, wie ich ihre Hand spürte.
Ein Hauch eisiger Kälte umwehte mein Herz. Schnell sah ich zur Seite, nur um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen. Mein Blick schweifte über meine Familie, meine Verwandten und Freunde, die sich lachend unterhielten und blieb zuletzt an einer reglosen Gestalt hängen, die etwas abseits saß. Erleichtert, endlich eine Gelegenheit gefunden zu haben, stand ich auf und lief zu Piero hinüber.
„Du bist früh zurück. Laufen die Geschäfte gut?“, fragte ich und ließ mich neben ihm auf dem staubigen Boden nieder.
„Alles bestens“, antwortete er. Der Nachtwind wehte sein langes, hellbraunes Haar zur Seite.
Piero war anders als der Rest meiner Familie, nicht nur äußerlich … Ich kannte Piero seit meiner Kindheit. Wir waren beste Freunde gewesen, eigentlich müssten wir’s noch immer sein, doch irgendetwas hatte sich schleichend zwischen uns verändert. Seit er begonnen hatte, regelmäßig Geld ranzuschaffen, war er immer schweigsamer und geheimnisvoller für mich geworden. Wir hatten kaum noch Gelegenheit, Zeit miteinander zu verbringen. Das lag vor allem daran, dass ich tagsüber loszog. Wenn ich von meinen Beutezügen nach Hause kam, brach Piero meistens auf oder war schon weg. Und wenn er von seiner Arbeit zurückkam, lag das Dorf wiederum im tiefen Schlaf. Niemand redete darüber, welchem Gewerbe Piero nachging, doch jeder schien es zu wissen oder tat wenigstens so.
Anfangs hatte ich versucht, Piero auszufragen, doch er war meinen Fragen jedes Mal ausgewichen. Es schien ihm unangenehm zu sein, über seine Arbeit zu reden. Irgendwann hatte ich das Gefühl bekommen, dass er mir aus dem Weg ging. Seither sprach ich ihn nicht mehr darauf an und stellte ihm nur noch unverfängliche Fragen.
„Du hast eine neue Jacke. Sie steht dir. Schwarzes Leder.“ Die letzten Worte betonte er so, dass mir unverzüglich ein Schauer über den Rücken zog.
Verlegen sah ich an mir herab. „Danke. Ich brauchte unbedingt eine Neue.“ Kurz zögerte ich, dann zog ich hastig die verspiegelte Sonnenbrille hervor und hielt sie ihm hin. „Dir habe ich auch was mitgebracht.“
„Eine Sonnenbrille? Für die Nacht?“ Sein spöttisches Lächeln ließ mir das Blut ins Gesicht schießen. Ich war froh, dass der flackernde Feuerschein dies verbarg.
„Ich dachte nur … ich habe …“, stotterte ich auf der Suche nach einer passenden Antwort.
„Ich wollt dich nur necken. Ist ja nicht so, dass ich tagsüber nie rausgehe. Danke.“ Er zwinkerte mir zu und schob sich die Brille über die Stirn ins Haar.
Eine Weile saßen wir stumm da. Mein Blick fiel auf Sara, die noch immer auf dem Platz saß, an dem ich sie verlassen hatte. Sie beobachte uns. Mit mürrischem Gesicht starrte sie herüber.
„Findest du es in Ordnung, deine Zukünftige so links liegen zu lassen?“, fragte Piero unvermittelt
„Dass du jetzt auch noch damit anfängst. Sie wird sich daran gewöhnen müssen“, antwortete ich verärgert. „Ich habe keine Lust, eine Familie zu gründen.“
Piero sah mich interessiert von der Seite an. „Du magst sie nicht?“
„Das ist es nicht. Sie ist mir einfach nur - egal“, beendete ich den Satz.
Piero lachte leise. Seine feingliedrige Hand griff nach einem Stöckchen, mit dem er ein Herz in den Sand malte.
„Lach’ nur“, fauchte ich. „Ich mag eben keine dicke, ungelenke Frau,
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