Erwarte mich in Paris (German Edition)
erfasste.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte der Fahrer und sah mich durch den Rückspiegel an.
„Alles bestens“, antwortete ich krampfhaft um eine normale Aussprache bemüht und setzte mich schräg. So konnte ich die Schmerzen am ehesten ertragen.
Piero
Ich ließ das Taxi in einer Seitenstraße halten. Das Letzte was ich jetzt brauchte, war ein neugieriger Reporter, der unschöne Fotos machte. Den Kragen hochgeschlagen, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, lief ich mit gesenkten Kopf die Straße entlang.
„Pardon.“ Im Vorbeigehen streifte mich jemand an der Schulter.
Obwohl ich diese Stimme vorher noch nie Französisch sprechen gehört hatte, erkannte ich sie, als hätte ich sie erst gestern vernommen.
Wie vom Blitz getroffen, blieb ich stehen und drehte mich um. Ein junger Mann eilte mit schnellen Schritten den Gehweg entlang. Obwohl er eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte, schaute eine Strähne seines hellen Haars hervor.
„Piero?“ Obgleich meine Stimme leise war, hatte sie die Wirkung eines Peitschenknalls auf den jungen Mann.
Er zuckte zusammen und blieb ruckartig stehen. Langsam, wie in Zeitlupe drehte er sich um. Fast wirkte es, als überlege er, ob er nicht meinen Ruf ignorieren und einfach weiterlaufen sollte. Aber das bildete ich mir sicher nur ein.
Als er mich sah, erhellte sich seine Mimik von einem Wimpernschlag zum anderen. Gerade noch war Pieros Gesicht ernst gewesen, mit einer steilen Falte auf der Stirn, nun strahlte er.
„Nikola? Was tust du denn hier?“ Wir liefen aufeinander zu und fielen uns in die Arme. Es war so wundervoll, ihn zu spüren. Der ganze Zorn, die Verzweiflung und die Demütigung fielen mit einem Mal von mir ab und machten einer solchen Wiedersehensfreude Platz, dass mir die Tränen in die Augen schossen.
„Ich habe gedacht, ich seh’ dich niemals wieder“, schluchzte ich und drückte ihn an mich. Ich grub meine Nase in seine Kapuze und zog seinen Geruch tief ein.
„Als Tom sagte, dass ich dich heute bei ihm treffen würde, war ich überglücklich. Als du dann aber nicht kamst, ging die Welt für mich unter.“
„Du warst heute bei Tom?“
„Ja, aber es war nur eine Falle, um mich zu ihm zu locken. Tom ist ein Schwein! Du weißt nicht, was er mir angetan hat. Er und seine zwei Freunde …“ Wieder schluchzte ich und spürte erneut die Panik und Verzweiflung in mir aufsteigen.
„Ich muss nach Hause. Ich brauche dringend meine Medizin. Kommst du mit?“ Flehend sah ich ihn an. „Es ist gleich um die Ecke.“
Verunsichert sah Piero sich um. „In Ordnung. Da kannst du mir auch erzählen, wie es dir die ganze Zeit ergangen ist. Ich dachte, ich könnte Tom vertrauen. Wir hatten eine Abmachung. Ich tue etwas für ihn, und er kümmert sich um dich. Aber das scheint ja nicht sonderlich gut funktioniert zu haben.“
„Du kannst deinen Teil der Abmachung ja rückgängig machen“, flüsterte ich. „Das hat er sich mit dieser Tat gerade eben wirklich verdient.“
„Wenn das so einfach wäre.“ Piero löste meine Arme von seinem Hals, da ich ihn immer noch umklammert hielt. „Komm, ich bring dich heim.“
Arm in Arm liefen wir die Straße entlang, in die Richtung, aus welcher Piero mir gerade entgegen gekommen war.
„Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe. Ich habe Alain schon so viel von dir erzählt. Er wird dich mögen.“
„Alain Serafon?“ Piero wirkte überrascht.
„Ja, kennst du ihn? Das ist der Mann bei dem ich wohne, und der mir geholfen hat, als Tom sich zum Arschloch entwickelt hat.“ Ich hatte mich mittlerweile wieder einigermaßen im Griff, so dass ich wenigstens ohne zu schluchzen reden konnte.
„Hier wohnst du also?“ Pieros Stimme hatte einen dunklen Klang, als ich vor dem Tor stehen blieb.
„Ja, hier. Zusammen mit Alain.“
Piero wirkte nachdenklich, verärgert, überrascht – alles in einem. Die verschiedenen Emotionen huschten über sein glattes Gesicht wie Schatten. Doch ich nahm dies nur halb wahr. Eine unglaubliche Aufregung nahm mich gefangen und steigerte sich von Sekunde zu Sekunde. Ich würde heute die zwei Menschen zusammenbringen, die mein Leben grundlegend verändert hatten.
Ob sie sich verstanden? Ob sie sich mochten? Ich stolperte fast, als ich eintrat und die Hofeinfahrt entlanglief.
Ich steuerte zielstrebig auf den Fahrstuhl zu.
„Wolltest du nicht erst deine Medizin nehmen?“ Piero hielt
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