Erwarte mich in Paris (German Edition)
Doch eine Klammer hielt ihn fest.
„… braucht Ruhe. … auf sein Zimmer… Spurenaufnahme …“
Hände packten mich, hoben mich hoch. Mein Kopf wankte unkontrolliert hin und her, kraftlos gaben meine Beine nach. Pieros Stimme, die mich aufforderte zu gehen, wach zu bleiben, zärtlich, erwärmte sie mein Herz.
„Ich liebe dich, Piero“, flüsterte ich und versuchte ihn anzusehen. „Schon immer habe ich dich geliebt.“
„Ich weiß, aber jetzt musst du uns helfen.“
Ihm zuliebe sammelte ich meine Kräfte und setzte einen Fuß vor den anderen. Trotzdem strauchelte ich und hing ich wie ein nasser Sack zwischen Piero und dem jungen Mann auf meiner anderen Seite. Mühsam schafften wir es die Treppe hinunter, in mein Zimmer, wo ich mich auf das Bett fallen lassen konnte. Ich grub mich unter die Decke und zog mir das Kissen über en Kopf.
„… mitkommen, zum Verhör.“
„… will nicht allein lassen.“
„… wird schlafen.“
Stimmengemurmel lullte mich ein. Ich fühlte mich, als würde ich auf einem fliegenden Teppich schweben. Über mir der sternenübersäte Himmel, unter mir tiefste Schwärze. Und dann stürzte der Teppich ab. Schlingernd fiel ich in einen schwarzen Strudel aus Tod und Vergessen. Ich schrie. Meine Lunge schmerzte. Mein Körper wurde auf den Boden gepresst. Ein erneuter Einstich in meinen Arm. Und dann - endlich - gnädiges Vergessen.
Verwirrung
„Er ist jetzt wach. Der Kommissar kann kommen.“
Schritte entfernten sich und jemand zog die Vorhänge auf. Ein bleigrauer Himmel hing über Paris und schien auf die Stadt niederzudrücken. Genau so fühlte ich mich auch, niedergedrückt, müde, leer, ohne Emotionen.
Warum lag ich hier? Was machte der fremde Mann in meinem Zimmer? Ein Krankenpfleger?
„Bleiben Sie liegen. Ihr Kreislauf ist nicht stabil“, sagte er und machte meine Anstrengungen aufzustehen, mit einem sanften Druck auf meine Schulter zunichte.
Die Tür schwang auf und ein magerer Mann mit einem grauen Gesicht und einem schlecht sitzenden Anzug trat ein. Er hielt mir eine Polizeimarke vor die Nase.
„Mein Name ist Marais. Ich leite die Ermittlungen und habe ein paar Fragen an Sie.“
Fragen, was für Fragen? In meinem Kopf begann es sich wieder zu drehen.
„Seine Aussage wird vor Gericht nicht anerkannt“, hakte der junge Mann ein.
„Ich weiß …“, unterbrach der Kommissar unwirsch. „Wir wollen uns ja auch nur ein bisschen unterhalten und die Aussagen des Freundes mit seiner abgleichen.“
„Meines Freundes?“
„Monsieur Piero Cingarowi
. Er ist doch Ihr Freund?“
„Ja.“ Das Wort war nur ein Hauch.
Piero - ich hatte ihn getroffen. Und dann … meine Gedanken irrten hin und her, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt. Irgendetwas Schreckliches war passiert. Oder täuschte ich mich?
„Als Sie nach Hause kamen, war die Haustür da verschlossen?“
„Ja, sicher.“
„Ihnen ist nichts Verdächtiges aufgefallen?“
„Nein, wieso?“
„Wer war bei Ihnen?“
„Piero, ich hatte ihn getroffen.“
So ging die Fragerei unendlich weiter. Ich hatte Kopfschmerzen und Mühe, mich zu konzentrieren. Immer wieder flog mein Blick zum Fenster, auf den mit Wolken verhangenen Himmel.
„Hat den Spazierstock noch jemand anderes angefasst, außer Ihnen?“
Spazierstock? Was meinte er? Das Bild des blutbesudelten, silbernen Knaufes tauchte vor meinen Augen auf.
„Ich … ich weiß nicht … er fiel mir aus der Hand … Piero war hinter mir …“ Tränen stiegen mir in die Augen und liefen meine Wangen hinunter.
„Was hat Ihr Freund in dem Zimmer getan? Was hat er angefasst?“
„Er war tot. Einfach so.“ Ich schluchzte auf. „Er saß da, ohne zu atmen. … so schrecklich!“ Ein erneuter Weinkrampf begann mich zu schütteln.
„Sie sollten jetzt gehen. Er braucht Ruhe.“
„Eine letzte Frage.“ Der Kommissar beugte sich über mich. „Wo ist das Testament?“
„Ich … ich weiß nicht … Alain ging es … ging es immer gut … er hat nie mit mir darüber … darüber geredet …“ Meine Worte waren unverständlich. Hemmungsloses Schluchzen unterbrach sie immer wieder. Ein Kloß saß in meinem Hals und drohte, mir den Atem zu nehmen. Stoßweise holte ich Luft. Panik ergriff mich. Ich ballte die Fauste und presste sie in die Matratze, während ich nach Atem rang.
„Es reicht.“ Der Pfleger drängte den mageren
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