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Erwarte mich in Paris (German Edition)

Erwarte mich in Paris (German Edition)

Titel: Erwarte mich in Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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Tod gedacht. Er hatte nur nie mit mir darüber reden wollen.  
    Ob er mich damit nicht belasten wollte? Oder hätte er es mir nicht zugetraut?  
    Meine Gedanken wanderten zu Piero und dem seltsamen Zeitpunkt unseres Wiedersehens. Ob das alles Zufall gewesen war? Immer wenn ich mir den betreffenden Abend noch einmal vor Augen führte, bekam ich Kopfschmerzen. Ich wusste einfach nicht, was ich denken sollte. Es war zum Verzweifeln.  
    Ein neuer Redner trat an das Pult. Ich nahm ihn nur am Rande war.  
    „Oh, Felipe Jaroudas. Hast du gewusst, dass er auch kommt?“, flüsterte Christin andächtig neben mir.  
    Ich schüttelte nur den Kopf, als ich den berühmten Sänger sah, den mir Alain damals hinter der Bühne der Oper vorgestellt hatte. Auch er sagte einige Worte, und ich wollte schon wieder in meiner morbide Lethargie versingen, als er plötzlich seine Stimme erhob und zu singen begann.  
    „Oh, der Cold Song“, hauchte Christin tränenschwanger neben mir.  
    Und nach den ersten Tönen wusste ich, was sie meinte. Auch mir schossen plötzlich Tränen in die Augen und strömten über mein Gesicht. Ich wollte sie zurückhalten, doch die Anstrengung ließ meinen Körper nur noch mehr verkrampfen und beben. Schon spürte ich die ersten schwarzen Kameraaugen auf mich gerichtet.  
    „Ich muss hier raus“, flüsterte ich und erhob mich.  
    „Soll ich mitkommen?“  
    „Nein, ich muss allein sein.“  
    Ich stolperte durch die Sitzreihen und verließ die Trauerhalle unbehelligt durch einen Hintereingang. Zum Glück hatten die Journalisten genügend Anstand, mich nicht aufzuhalten. Ich vermied es durch die wartenden Trauergästen zu gehen, die keinen Einlass erhalten hatten, und nahm stattdessen den Weg über den alten Teil des Friedhofes. Ich musste nachdenken. Ich musste mir klar darüber werden, was ich wollte, und vor allem, wer ich überhaupt noch war.  
    Was war von mir noch übriggeblieben?  
    Ich rannte wie ein Irrer über den Friedhof. Die neugierigen und empörten Gesichter der Touristen und Besucher bemerkte ich nicht. Ein Geistesblitz war mir erschienen. Endlich wusste ich, wo ich hin musste. Endlich hatte ich ein Ziel.  
    Ich lief zur Metrostation und stieg in die U-Bahn. Den Standort auf dem Stadtplan hatte ich mir wieder und wieder eingeprägt. Einige Male musste ich umsteigen. Doch ich kam meinem Ziel näher. Immer mehr Schwarzafrikaner bevölkerten die Bahn, Mütter mit kleinen Kindern, Jugendliche, die Alkohol zwischen sich kreisen ließen und ordinäre Scherze machten, Männer mit Rastalocken und ausgelatschten Schuhen.  
    Immer öfter streiften Blicke über meinen schwarzen Anzug und meine blank polierten Schuhe. Ich zog die Jacke aus und legte sie neben mir auf den Sitz. Mein Hemd knöpfte ich auf, so dass mein nachwachsendes Brusthaar zu sehen war.  
    Ich rasierte meinen Körper seit Alains Tod nicht mehr. Wozu auch? Ich hatte keinen Job, ging kaum außer Haus, ich war in Trauer. Mein Gönner, Liebhaber und Vertrauter war tot.  
    Und man ließ mich in Ruhe. Mittlerweile hätte wohl sowieso niemand mehr den Mut, mich zu derart persönlichen Dingen wie einer Rasur aufzufordern. Alain hatte mich in den Olymp erhoben. Ich war der, von ihm Auserwählte gewesen. Einzigartig. Außergewöhnlich. Ich hatte es geschafft, das Eis des großen Meisters zu schmelzen und ihm näher zu kommen, als je ein Mensch vorher.  
    Doch was war ich jetzt, wo er nicht mehr war?  
    Ich beugte mich nach vorn, als würden mich unsägliche Schmerzen quälen. Meine Finger gruben sich in mein glatt zurückgekämmtes Haar.  
    War ich in den Augen der Leute überhaupt mehr als sein Spielzeug? War ich überhaupt noch irgendetwas wert?  
    Die vielen Fotos, die von mir während der Trauerzeremonie gemacht worden waren, zeigten wenigstens noch das Interesse der Öffentlichkeit. Doch wie lange würde es anhalten? Was blieb davon übrig, wenn sich in ein paar Wochen die Aufregung gelegt hatte? Wer war ich dann noch? Und wo würde ich dann hingehören? Die Fragen kreisten und drohten, meinen Kopf zu sprengen.  
    Die Bahn hielt, und ein junger Mann mit zerrissener Kleidung, griff sich meine nachlässig hingelegte Jacke und stürzte aus der Tür. Instinktiv hob ich die Hand, um ihn zurückzuhalten, zog sie jedoch müde wieder zurück. Sollte er doch damit glücklich werden. Ich hatte von diesen Jacken Dutzende. Und wozu brauchte ich sie? Ich nahm die Sonnenbrille ab und wischte mir über die brennenden Augen.  
    Als

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