Erwarte mich in Paris (German Edition)
Mann zur Seite und begann, an meinem Arm zu hantieren. Mein Blick fiel auf eine Kanüle, die in meinem Unterarm steckte und durch die er jetzt etwas in meine Venen spritzte.
„Atme langsam aus und ganz langsam wieder ein.“ Seine Worte waren drängend, so dass ich ihnen Folge leisten musste. Langsam bekam ich wieder Luft, die Panik wich und eine seltsam, schwebende Entspannung breitete sich in mir aus.
Wo war Piero?
Was war vorgefallen?
Als ich mich zu erinnern versuchte, was mit Alain passiert war, breitete sich ein Nebel in meinem Geist aus und die herumirrenden Gedanken verstummten allmählich.
Das war doch alles gar nicht wichtig. Ich schwebte in eine wundervolle Dunkelheit hinein und fühlte mich wohl. Alles andere konnte warten …
Keimende Zweifel
Die nächsten Tage schlich ich wie ein Gespenst durch das große Haus. Ich vermied es, ins Dachgeschoss zu gehen, denn dort war Alains Schlafzimmer und wartete nur darauf, mich an unseren grausamen Schicksalsschlag zu erinnern.
Die Polizei hatte mich mehrfach befragt, aber keinen Grund gehabt, mich des Hauses zu verweisen. Inoffiziell war ich Alains Erbe, auch wenn das Testament noch immer nicht aufgetaucht war. Diese Tatsache war es auch, die mich weniger verdächtig erscheinen ließ.
„Da wird noch ein ganz schöner Erbschaftsstreit auf dich zukommen“, hatte mir Christin prophezeit. „Die Ratten werden aus den Löchern kriechen und auch ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Das ist immer so.“
Glücklicherweise hatte sie sich bei mir einquartiert, sodass ich wenigstens nicht allein war.
Piero war wieder verschwunden. Er hatte mir nur einen zerknitterten Stadtplan von Paris dagelassen, auf dem ein schwarzes Kreuz, in einem der Außenbezirke eingezeichnet war.
„Du wirst ihn doch nicht etwa dort besuchen?“ Christin erwischte mich, wie ich den ausgebreiteten Stadtplan studierte. „Das ist ein berüchtigtes Pariser Getto. Wenn du dort hinfährst, verlierst du, wenn du Glück hast, nur deine Brieftasche.“
„Du vergisst, wer ich bin. Eigentlich gehöre ich genau dort hin. Vor allem jetzt, wo Alain nicht mehr für mich da ist. Aber der Clan hat mich ja eh verstoßen und vergessen.“
„Ich wäre mir da nicht so sicher. Zeig ihnen deine Kontoauszüge, und du wirst, bevor du dich versiehst, ein König unter ihnen sein.“
Christin könnte sogar recht haben. Daran hatte ich nie gedacht. Würden sie mich wirklich wegjagen, wenn ich im schwarzen Jaguar vorfuhr, mit Goldketten behängt? Doch ich wusste auch, was dies für mich und Alains Hab und Gut bedeuten würde. Wollte ich es wirklich meiner Sippe zum Fraß vorwerfen und mich später, wenn es verprasst war, wieder unterordnen?
Wollte ich das wirklich? Und hatte meine Sippe diesen Reichtum verdient, nachdem sie mich so behandelt hatte?
Nein! Ich würde ihnen niemals verzeihen. Meine Hand ballte sich spontan zur Faust.
„Hast du das von Tom gehört?“
„Was? Ist er wieder verprügelt worden? Oder war es wieder nur ein Unfall, bei dem er sich den Fuß verstaucht hat?“
Christin sah mich mit seltsam schwarzen Augen an. „Nein, er ist tot.“
Starr stand ich da, zu keiner Regung fähig. In meinem Hinterkopf pulsierte ein Satz. Ich versprech’ dir, das wird er büßen. Irgendjemand hatte das einmal gesagt, vor gar nicht all zu langer Zeit. Aber wer?
„Er wurde mit einem Kabel erdrosselt in seiner Wohnung gefunden. Man vermutet, dass es ein paar seiner üblen Saufkumpane waren, mit denen er gern feierte. Es fehlen nämlich Geld und Wertgegenstände.“
Mit einem Kabel? Wie Alain?
„Hat man sie schon festgenommen?“, fragte ich schnell.
„Ja, sie verstricken sich gerade in widersprüchliche Ausreden und beschuldigen sich gegenseitig. Aber … ich glaube nicht, dass sie es waren. Die Ähnlichkeit zu Alains Tod ist zu offensichtlich.“
Christin hatte es also auch erkannt.
„Du glaubst, es war derselbe?“
„Was glaubst du?“ Sie sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Tom war in unseren Kreisen dafür bekannt, Intrigen zu schmieden. Da scheint irgendetwas anders gelaufen zu sein, als er geplant hatte, würde ich sagen.“
„Hast du jemanden bestimmtes in Verdacht?“ Ich hatte vor ihrer Antwort Angst und wollte sie eigentlich nicht hören. Trotzdem sah ich sie auffordernd, fast trotzig an.
„Ich werde keinen Namen nennen, aber du weißt, an wen ich denke.“
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