Erwarte mich in Paris (German Edition)
Ich schämte mich so! Verschmäht und gedemütigt stand ich da.
Fieberhaft begannen meine Gedanken zu arbeiten. Ich musste eine Lösung finden. Die Erde würde mich nicht gnädig verschlingen und all meine Probleme beseitigen. Ich musste selbst eine Möglichkeit finden, um diese Angelegenheit zu lösen. Ich konnte nicht einfach so aufgeben. Mir musste etwas einfallen.
Also zermarterte ich mir mein Hirn und durchdachte noch einmal seine Reaktion. Alle Beschämung strich ich dabei zur Seite. Ich musste einfach nur klar und ohne Emotionen nachdenken.
Was war der Grund für Pieros Abweisung?
Er mochte mich doch, das wusste ich. Und er schlief mit Männern, das hatte ich selber gesehen.
Lag es wirklich nur daran, dass ich noch keine Erfahrung gesammelt, keine Ahnung von Sex hatte?
Das musste es sein!
Aber wenn es das war, was Piero störte, konnte ich dem doch ganz einfach Abhilfe verschaffen. Genau! Ich würde die Fertigkeiten und das Geschick erlangen, das nötig war, damit er sich zu mir herabließ.
Und dass er sich zu mir unwissendem, unbeholfenem Tölpel herablassen musste, schien mir in diesem Moment mehr als einleuchtend.
Und so entschloss ich mich für ein Vorhaben, das mein weiteres Leben unwiderruflich verändern sollte.
Ich war fest entschlossen, den gleichen Weg wie Piero einzuschlagen und ich würde werden wie er: begehrt, erfahren und cool. Und er würde mich akzeptieren. Er würde meinem Wunsch nachkommen, ohne dass ich ihn noch einmal laut aussprechen musste.
Im Darkroom
Ich machte mich noch in dieser Nacht auf den Weg in die Bar, zu der ich Piero vor ein paar Tagen gefolgt war. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Doch das hielt mich nicht davon ab, mein ängstlich klopfendes Herz zu ignorieren.
Der blau flackernde Schriftzug der Cruising Gay Bar empfing mich und zwinkerte mir herausfordernd zu. Schnell überwand ich die Treppenstufen, öffnete die Tür und trat ein. Kein einziger Gedanke sollte mich noch an meinem Vorhaben hindern.
Es war dämmerig, und mein erster Eindruck war der einer normalen Bar, in der sich Kollegen nach der Arbeit zu einem Feierabendbier trafen. Eine lange Theke mit Hockern, ein paar blanke Holztische, rustikale Stühle, Emailleschilder mit Reklame an den Wänden, eine glitzernde Discokugel und ein paar vereinzelte Männer, die gelangweilt in ihre Gläser stierten. Kaum hatte ich die Tür geschlossen, hoben sich ihre Köpfe. Ich fühlte mich von mindestens fünf Augenpaaren gemustert. Auch der Barmann hatte sich zu mir umgedreht und sah mir entgegen. Etwas verunsichert trat ich an die Theke und setzte mich auf einen Stuhl.
„Na, neu hier?“, fragte er und musterte mich abschätzend. „Was darf ich dir bringen?“
Ich kramte in meiner Hosentasche herum und förderte ein Zweieurostück zutage. „Was bekomme ich für …“, ein Griff in meine andere Hosentasche zeigte mir, dass mein gesamtes Bargeld schon auf dem Tresen lag. Gerade machte ich mich für die demütigende Frage bereit, was ich wohl für zwei Euro bekommen konnte, als sich jemand neben mich setzte.
„Lass stecken, Junge. Peter“, der Mann wandte sich an den Barmann, „bring uns zwei Bier.“
Peter, der Barmann, drehte sich mit einem vielsagenden Zucken der dichten Augenbrauen um und begann das Bier zu zapfen.
„Ich habe dich noch nie hier gesehen, Junge“, sagte der Mann und leckte sich dabei mit einer obszön anmutenden Geste über die Lippen.
Während ich krampfhaft überlegte, was ich dem Mann für eine möglichst glaubhafte Geschichte auftischen konnte, musterte ich ihn. Er war um die Vierzig, und schien ein typisch deutscher Normalbürger zu sein: dunkelblonder Kurzhaarschnitt, Brille, groß, schlank, mit Jeans und Hemd, schien er gerade erst aus dem Büro gekommen zu sein. Es würde mich nicht wundern, wenn seine Aktentasche neben ihm stehen würde. Ich ertappte mich dabei, wie ich einen Blick zum Boden warf, doch außer seinen sauber glänzenden Schuhen war dort nichts zu entdecken.
„Ich bin das erste Mal hier“, entgegnete ich. „Ich wohne noch nicht lange in München.“
„Ah“, entgegnete er und musterte mich dabei eindringlich. „Du redest gut Deutsch. Wo kommst du her, Ostblock?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin überall zu Hause.“
Er lachte und schob mir ein Glas Bier hin. Seine Augen funkelten. „Schön, dass es dich hierher verschlagen hat. Ich freu mich immer über
Weitere Kostenlose Bücher