Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
aufgebraucht sein. Und dann? Dann müsste er wieder …
Erst da ging ihm so richtig auf, in was für einer aussichtslosen, vollkommen verzweifelten Situation er sich befand.
Hass loderte in ihm auf, ein unbändiger, uralter Hass, der sich in ihm angestaut hatte, seit Zola ihn zum ersten Mal zum Stehlen auf die Straße geschickt hatte. Rachegelüste, stärker denn je, die ihn fast um den Verstand brachten.
Solange der Zola-Clan existierte, war und blieb er ein Dieb. Zolas Tentakel hielten ihn gepackt, egal, wo er sich befand.
Er ballte die Fäuste und starrte an die Betondecke. Er sah den toten William Stark mit den leeren Augenhöhlen vor sich, er hörte Tildes sanfte Stimme – und er sah den Polizisten, der Carl hieß und der bestimmt Kontakt zu ihm aufnehmen wollte. Sämtliche Schatten über ihm und vor allem sämtliche Schatten hinter ihm konnten verschwinden … wenn er nur das Richtige tat.
Es gab keinen Zweifel mehr: Zola und sein Clan mussten weg.
23
»Und womöglich habt ihr auch noch geglaubt, dass ihr mit Pauken und Trompeten empfangen werdet«, sagte Rose und stach mit einem zusammengefalteten Blatt Papier nach ihm. »Bei Carl muss man ja immer auf alles gefasst sein. Aber von dir, Assad, hätte ich das wirklich nicht gedacht. Du wusstest ganz genau, dass Malene mir gehört, und dann rufst du mich an, während ich im Ministerium bin, und erzählst mir, ihr hättet sie verbal niedergeknüppelt. Was sollte das?«
»Ganz so war es nicht, Rose«, wand sich Assad. Er schien versucht, sich den zusammengerollten Gebetsteppich und den ganzen Rest zu schnappen, ehe Roses nächster Satz auf ihn niederdonnerte.
Carl zwang sich zu einem leichten Lächeln, so unangebracht dies auch war. »Schimpf lieber mit mir«, sagte er. »Assad hat extra noch gesagt, dass du dabei sein solltest, aber dazu kam es dann halt nicht.«
Rose schnaubte. »Dich beschimpfen, was soll das denn bringen? Durch deinen Panzer dringt doch nichts durch.« Dann griff sie nach seiner Hand und klemmte ihm das Blatt Papier zwischen die Finger. »Na, wenn du dort so gut ohne mich ausgekommen bist, tust du das hier bestimmt auch. Ich geh dann mal. Kannst ja ein bisschen herumkauen auf dem, was ich in der Zwischenzeit herausgefunden habe.«
»Haha, Roselil, gib ihnen Saures!«, tönte es vom anderen Ende des Kellerflurs.
Als Gordon auf der Bildfläche erschien, ließ Rose die Hände sinken. Es war nicht zu übersehen, dass sie wenig erpicht war auf seine Unterstützung, aber er legte unverdrossen nach: »Ichfinde, das grenzt an Mobbing, wenn dein Vorgesetzter dich daran hindert, deine eigene Kontaktperson zu verhören.«
Bei diesen Worten bildete sich eine Falte in Roses Gesicht, die weniger Unschlüssigkeit ausdrückte, als dass sie eine Grenze widerspiegelte, die zu überschreiten kein Mann sich erlauben durfte.
»Stopp, Gordon!« Sie klang bestimmt, doch der Anteil dessen, was dieser Fettuccine tatsächlich begriff, entsprach allenfalls homöopathischen Dosen.
»Na ja«, fuhr er unverdrossen fort, »so was scheint für diese Generation von Kripobeamten typisch zu sein. Lauter eingefleischte Chauvinisten.«
»Ach, ihr seid doch alle gleich bekloppt!«, rief sie und verschwand, ohne den Protest abzuwarten, türenknallend in ihr Büro. Sie brachte immer wieder Stimmung in die Bude, das musste man ihr lassen.
Carl musterte Gordon mit Blicken, mit denen er sonst höchstens verdorbenes Fleisch unter die Lupe nahm. »Und Sie meinen, dass das der angemessene Umgangston ist?«
Gordon blickte ihn ausdruckslos an. War der Kerl gehirnamputiert, oder was?
»Ich glaube, Gordon, an dieser Stelle sollten Sie mal kurz den Kopf schütteln!«, war Assads trockener Kommentar.
Gordons Gesichtsausdruck ähnelte dem eines Nacktmulls.
»Zweitens: Darf ich fragen, ob Sie gestern nicht begriffen haben, dass Sie a) auf fremdem Territorium eindeutig zu weit gegangen sind und b) wir hier unten lieber eine Horde wilder Hyänen um uns hätten als Sie?«
Auf die Anspielung antwortete er nicht. Er pflegte offenbar seine eigene wohlige Erinnerung an das Intermezzo.
»Nein, nicht? Dann sollten Sie gleich, nachdem Sie von Assad und mir ordentlich was aufs Maul bekommen haben, zu Lars Bjørn rennen und petzen, wie gemein wir hier unten im Keller sind.«
Carl griff sich eine Zigarette und zündete sie an. Ah, tat das gut zu sehen, wie der Schlaks augenblicklich einen Schritt zurückwich und sein Gesicht hinter dichtem Zigarettenqualm verschwand. Eigentlich hatte
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