Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
er wohl vor zu protestieren, aber aus dem Augenwinkel sah er, wie Assad die Ärmel hochkrempelte, und die Botschaft verstand er offenbar, denn er zog sich wie ein geprügelter Hund auf den Flur zurück – nicht ohne ihnen aus sicherem Abstand noch ein paar Beschimpfungen zuzurufen.
Carl faltete das Blatt Papier auseinander, das ihm Rose zugesteckt hatte. »Baka-Projekt« hatte sie oben drüber getippt, in Times New Roman, 30 Punkt, fett gesetzt. Damit da mal bloß keine Missverständnisse aufkamen.
»Setz dich, Assad, und hör dir an, was sie geschrieben hat. Und guck nicht so trübsinnig. Rose kriegt sich bald wieder ein. Sie weiß genau, dass wir nicht jedes Mal, wenn wir ins Feld ziehen, mit einem ganzen Bataillon anrücken können.«
»Anrücken können, was heißt das, Carl?«
Carl deutete auf den Text. »Vergiss es. Hier steht, dass man Rose geraten hat, einen Beamten in Jaunde anzurufen. Das ist die Hauptstadt von Kamerun, falls es dir gerade entfallen sein sollte.« Er verschwieg tunlichst, dass er es bis vor zwei Minuten selbst nicht gewusst hatte.
»Es geht um einen gewissen Mbomo Ziem, den unsere Kooperationspartner dort unten Rose als Koordinator des dänisch finanzierten Baka-Projektes genannt haben. Aber dieser Mbomo Ziem ist jetzt anscheinend nicht mehr dabei, sodass Rose stattdessen mit einem gewissen Fabrice Pouka sprach, der ihr berichtete, das Baka-Projekt gebe es zwar noch, es werde aber Ende des Jahres eingestellt. Alles laufe nach Plan, außer dass ein gewisser Louis Fon das Projekt zwischenzeitlich sabotiert habe. Rose schreibt, das Projekt sei angestoßen worden, um Pygmäenstämme im Dja-Regenwald – der liegt im Süden des Landes – beim Anlegen von Plantagen für Bananenund neue Sorten von Feldfrüchten zu unterstützen. Die Hilfe sei nötig geworden, weil die natürliche Lebensgrundlage der Pygmäen im Lauf der Jahre zunehmend zerstört worden sei, hauptsächlich wohl durch Wilderei.«
Carl legte das Papier vor sich auf den Tisch.
»Das ist alles?« Assad wirkte überrascht, und Carl konnte ihn verstehen. Das war nun wirklich nicht viel, was Rose da in der langen Zeit herausgefunden hatte.
»Nein, warte mal. Auf der Rückseite steht noch was, das hat sie von Hand notiert. LFon 9876, was mag das bedeuten?«
»Sieht aus wie ein Skype-Name.«
»Geh rüber und frag sie.«
»Soll ich wirklich?«
Carl antwortete nicht, das war Antwort genug.
Fünf Minuten später stand Assad wieder vor ihm, schwitzend.
»Puh, Carl, sie hat mir gleich noch mal den Kopf gewaschen. Sagt man das so? Und natürlich ist das ein Skype-Name, sagt sie. Es hat wohl so lange gedauert, den herauszufinden. Ich erspare dir die Details. Sie geht davon aus, sagt sie, dass da schon irgendjemand an Louis Fons Heimatadresse im nördlichen Kamerun antworten wird. Sie hat es bereits versucht, aber da hat niemand reagiert.«
»Na, dann existiert die Nummer wohl nicht mehr.«
»Man merkt, dass das hier nicht dein Gebiet ist, Carl. Einen Skype-Namen kann man nur erreichen, wenn der, den man anruft, seinen Computer eingeschaltet hat.«
»Doch, doch, das weiß ich. Ich dachte nur …«
Assad strahlte. »Haha, Carl. Mir machst du nichts vor. Aber egal, ich werde es dir einfach demonstrieren. Komm mit zu mir, dann rufen wir von da aus gleich mal an.«
Auf dem Schreibtisch in Assads besenschrankgroßem Büro ragte zwischen Teekocher, grün glasiertem Räucherstäbchenhalter, einem Stoß Akten und jeder Menge anderem Krempelder größte Monitor des gesamten Präsidiums auf. Darauf leuchtete eines jener graubraunen, lehmverputzten Häuser, wie es sie im Nahen Osten millionenfach gab. Wahrlich kein Haus, in dem Carl seinen Ruhestand verbringen wollte. Keine Farben, keine Pflanzen, keine Veranda, auf deren Geländer man die Füße ablegen konnte. Nichts als ein Fenster und eine Tür, und das alles schmutzig braun.
Carl deutete mit dem Finger darauf. »Du kennst das Haus?«
Assad lächelte, schüttelte den Kopf und drückte auf eine Taste. Weg war es. »Erst mal schalten wir die Lautsprecher ein, Carl. Du setzt dich vor den Bildschirm, und dann öffnest du das Skype-Konto. Ich zeige dir, wie das geht. Wenn die am anderen Ende auch eine Kamera an ihrem Computer haben, so wie ich, dann müsstet ihr euch sogar sehen können.«
Keine halbe Minute später hörte man deutlich den Klingelton, ein irrsinnig nervtötender Klang.
»Gib ihnen etwas Zeit«, konnte Assad gerade noch sagen, bevor eine Serie undefinierbarer Geräusche
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