Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
war, richtete sich wohl auf Renés Erscheinen …
»Moment, das verstehe ich nicht.« Teis nahm seinen alten Schulfreund am Arm und zog ihn von seiner Frau weg. »Wie kannst du so was behaupten? Du kannst die Sendung doch unmöglich schon haben.«
René ließ Teis keine Sekunde aus den Augen. Dessen Stimme war merkwürdig gepresst, sein Griff um die Aktenmappe verkrampft.
»Willst du mich verarschen, Teis? Meinst du, ich wüsste nicht, wer mich gestern überfallen hat?« René drehte sich ein Stück zur Seite und deutete auf das Pflaster an seinem Hinterkopf. »So, und jetzt zeigst du mir mal kurz, was du da in der Tasche hast.«
Teis schüttelte den Kopf. Hektisch fummelte er am Handgriffseines Rollkoffers herum und zischte seiner Frau zu: »Komm, Lisa, wir gehen. Das muss ich mir nicht bieten lassen.« Seine Frau sah verständnislos von einem zum anderen.
Aber René packte ihn am Oberarm. »Bevor du mir nicht gezeigt hast, was in der Aktentasche ist, gehst du nirgendwohin!«
»Lisa, fahr doch bitte schon mit dem Taxi nach Hause und nimm mein Gepäck mit, ich habe eh noch in der Stadt zu tun. Wir sehen uns heute Abend.«
Um ein Minimum an Höflichkeit zu wahren, wartete René den Abschiedskuss ab und lächelte Teis’ Frau kurz zu. Aber sobald diese mit den beiden Samsonites in Richtung Taxistand abgezogen war, ging er wieder in Stellung.
Doch Teis Snap kam ihm zuvor. »Was treibst du für ein mieses Spielchen. Ich sehe dir doch an, dass die Sendung noch nicht eingetroffen ist. Und was redest du da von einem Überfall? Was ist passiert?«
»Teis, hör auf mit dem Scheiß und mach die Tasche auf!«, zischte René und streckte seine Hand danach aus.
Doch Teis riss die Mappe zurück. »Sag mal, spinnst du? Verbirgt sich unter dem Pflaster ein ernsthafter Gehirnschaden? Geh nach Hause zu deiner Frau und nimm dir einen Tag frei. Das hast du offenbar bitter nötig.«
»Teis, ich warne dich. Mach die Tasche auf.«
Entgeistert schüttelte Teis den Kopf und hielt René die Aktentasche hin, der im selben Moment wusste, dass er die erste Runde verloren hatte. Trotzdem zog er den Reißverschluss auf und steckte die Hand hinein. Ein paar Kreuzworträtselhefte, Zeitschriften und die ›Financial Times‹.
Und dann durchfuhr es ihn. Natürlich! Die Akten waren im Samsonite. Er hätte sich ohrfeigen können.
Warum zum Teufel hatte er nicht geschaltet?
»Wenn das so ist, Teis, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es stimmt, was du sagst, und die Aktien sind auf dem Weg zu mir, oder es stimmt nicht, und dann ist deine Frau gerademit höchst interessantem Kofferinhalt unterwegs. Wenn Letzteres der Fall ist, rate ich dir, mir die Aktien auf allerschnellstem Weg auszuhändigen. Sonst gehe ich mit meinen Informationen schnurstracks zur Polizei.«
Man konnte nicht behaupten, dass Teis Snap erschüttert aussah, aber er war es, das wusste René.
Er machte auf dem Absatz kehrt und sah auf die Uhr. Zehn nach zehn. Der Tag war noch jung.
29
»Geht’s dir besser, Carl?« Assad lehnte am Türrahmen.
»Etwas, ja«, antwortete dieser matt.
»Soll ich dir einen Tee machen?«
Carl zuckte zurück und schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, danke, jetzt lieber nichts riskieren. Aber Rose, vielleicht kannst du ein Tässchen gebrauchen?«
Abwehrend hob sie beide Hände. Lieber einen Liter Lebertran als Assads Tee, stand in ihrem Gesicht geschrieben.
»Hört mal«, sagte sie, eine Augenbraue hochgezogen. Dann mussten sie jetzt wohl wieder Schulklasse und Lehrerin spielen. »Inzwischen habe ich Antwort erhalten wegen der Mærsk-Container in Kaliningrad, die wir auf Anweilers Postkarte identifizieren konnten. Stimmt alles. Die Container waren gerade gelöscht und am Kai aufgebaut worden, das deckt sich mit dem Datum auf der Postkarte. Und die Kriminaltechniker bestätigen, dass das Foto echt ist, da ist nichts manipuliert worden. Der Mann ist also unschuldig, wie ich’s die ganze Zeit gesagt habe. Fall abgeschlossen.«
In diesem Moment veränderte sich Assads Mimik. Seine Gesichtszüge waren zwar immer noch schief, aber jetzt ging die Schieflage in die andere Richtung. Er schien die Luft anzuhalten und zog die Unterlippe am einen Mundwinkel belustigt nach innen. Was war denn das jetzt?
»Hey, Assad, was gibt’s da zu feixen? Hast du was Lustiges über Zola und Konsorten rausgefunden?«
»Nein, Carl, leider nicht. So wie es ausschaut, hat der Typ ein völlig legales Import-Export-Unternehmen in Luxemburg angemeldet,
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