Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
geradewegs ins Gesicht, während er hinter dem Bus herrannte. Wie ein bellender Hund, dachte Marco. Leichtfüßig und geschmeidig … und viel, viel zu schnell.
Hastig stand er auf und bewegte sich zum Ausstieg. Als der Bus in die Tietgensgade einbog, war die Ampel zum Glück grün, sodass sich der Abstand zu dem Sprinter vergrößerte.
An der Haltestelle Glyptothek stieg Marco aus und rannte ungeachtet der hupenden Autos direkt hinter dem Bus über die Straße. Der Schwarze war tatsächlich schon um die Ecke gebogen und hielt geradewegs auf ihn zu. Im Laufen griff Marco nach dem Kleingeld in seiner Hosentasche und steuerte auf den Nebeneingang des Tivoli zu.
Verdammt, das Tor war schon geschlossen!
In einer Art Schockstarre nahm er wahr, wie sein Verfolger den Abstand zwischen ihnen verkürzte, und gleichzeitig, wie an der Ecke zum H. C. Andersens Boulevard Martinshörner eingeschaltet wurden. Der Streifenwagen hatte offenbar vor dem Restaurant Great China gestanden, wendete jetzt im dichten Verkehr und kam direkt auf ihn zu.
Marco saß buchstäblich in der Falle. Egal, ob er zum Rathausplatz rannte oder in die andere Richtung zur Brücke, der Schwarze würde ihn schnell einholen. Und wenn er den H. C. Andersens Boulevard überquerte, lief er geradewegs der Polizei in die Arme. Es gab also nur einen Weg zu seinem Baustellenversteck – über den Zaun und quer durch den Vergnügungspark.
Gleich rechts von dem verschlossenen Nebeneingang, wo ein Pfosten die bogenförmigen Zaunelemente trennte, kletterte er rüber. Aus dem Augenwinkel sah er, dass der Streifenwagen auf dem Fahrradweg hielt und sein Verfolger beim Anblick des Blaulichts stehen blieb. Etwas Positives brachte die Anwesenheit der Polizei also doch mit sich.
Drinnen im Vergnügungspark musste sich Marco erst kurz orientieren, bevor er die Treppe neben einem Karussell mit Tierfiguren hinauflief.
Aus unterschiedlichen Richtungen rückten jetzt Blaulichter an. Doch hier würden sie ihn nicht kriegen, denn den Weghinter dem Pantomimentheater entlang zur Baustelle kannte er im Schlaf. Und hinter dem Steakhaus an den Stahlträgern hinaufzuklettern, war auch ein Klacks.
Die Baustelle war weitgehend verlassen. Nur einige wenige Arbeiter hatten noch vorne in den Bürocontainern zu tun. Hier oben aber, wo er saß, gab es nur den Wind und den Panoramablick über die Stadt.
Trotzdem: Nach den durchlebten Albträumen und dem Daueralarmzustand der letzten Stunden fiel es Marco nicht leicht, zur Ruhe zu kommen. Die Anspannung wollte sich einfach nicht legen. Und seine Wachsamkeit ließ sowieso nie nach, nicht eine Sekunde. Er fühlte sich wie der unbemerkt über den Feldern kreisende Habicht, dem nicht die geringste Bewegung am Boden entging.
Immerhin wusste er jetzt, wie dicht sie ihm auf den Fersen waren. Fieberhaft suchten sie dort unten nach Spuren von ihm. Die Streifenwagen waren inzwischen verschwunden, aber die waren sowieso nicht das Schlimmste.
Nein, es war vor allem der Schwarze, der ihm Angst machte. Und zwar weniger wegen seines merkwürdig stechenden Blicks, seines sehnigen Körpers und der schnellen, sicheren Bewegungen als wegen der Frage, was ein solcher Kerl hier überhaupt trieb.
An der Bushaltestelle vor dem Hauptbahnhof hatten zwei junge Afrikaner gestanden, daran erinnerte er sich genau. Und wenn er die Augen schloss und sich konzentrierte, sah er verschwommen noch eine dicke schwarze Frau hinter ihnen, die alles hellwach beobachtete. Sie schien die Kontrolle über das Geschehen zu haben, auch über die beiden Männer, die im Vergleich zu ihr geradezu unbedarft wirkten.
Aber warum waren sie in Kopenhagen? Wer zum Teufel hatte zwei Afrikaner auf ihn angesetzt? Zola sicher nicht, der kam für so eine Aktion nicht in Frage. Marco hatte noch gut inErinnerung, wie er damals in Italien zwei Afroamerikaner, die in den Clan aufgenommen werden wollten, mit den übelsten Beschimpfungen abgewiesen hatte. Nein, dunkelhäutige Menschen waren nicht Zolas Sache.
Aber wer hatte sie dann angeheuert?
Ein diffuses Geräusch von unten riss Marco aus seinen Gedanken. Es war kaum wahrnehmbar, aber genau deshalb sprang seine Adrenalinpumpe sofort an. Er horchte mit zusammengekniffenen Augen. Auf Baustellen herrschte tagsüber immer ein Höllenlärm, aber nach Feierabend war es meist ganz still.
Dennoch war da etwas.
Auf Zehenspitzen zog er sich zum Aufzugsschacht zurück, blieb reglos stehen und lauschte wieder. Das Geräusch war immer noch da, wurde sogar
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