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Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Titel: Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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anzufangen. In einem so riesigen, dünn besiedelten Land musste es doch wohl möglich sein unterzutauchen. Außerdem klang die Sprache ähnlich wie Dänisch, das hatte er oft genug bei schwedischen Touristen gehört. Da würde er sich bestimmt schnell zurechtfinden.
    So, wie sich die letzten vierundzwanzig Stunden entwickelt hatten, waren Marcos Rachegelüste gegenüber Zola in den Hintergrund getreten. Jetzt ging es ihm nur noch um das nackte Überleben.
    Als er vor Kays und Eivinds Wohnungstür stand, fest entschlossen, diesmal nicht ohne sein Geld abzuziehen, waren seine Sachen endlich trocken.
    Er musste ein paarmal klopfen, und als Eivind endlich öffnete, sah er völlig verändert aus. Unrasiert, blass und mit eingefallenen Wangen stand er ihm gegenüber. Aber zum Glück reagierte er nicht so feindselig wie beim letzten Mal. Im Gegenteil: Es sah sogar so aus, als freute er sich.
    »Marco, oh Gott, Marco«, rief er. »Wo bist du gewesen, mein Junge? Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Schau dich nur an, du siehst ja schrecklich aus! Komm rein, du musst etwas anderes anziehen. Komm nur, komm.«
    Unwillkürlich ließ Marco die Schultern sinken. Er war so gerührt von dem herzlichen Empfang, dass seine Lippen bebten. Es tat so gut, hier zu sein.
    »Kay«, rief Eivind über die Schulter. »Heute ist ein Glückstag: Marco ist wieder da!«
    Sekunden später hörte Marco, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und resolut umgedreht wurde.
    Er schnellte herum. Eivind hielt den Schlüssel in der Hand und schaute ihn drohend an, vorgebeugt, als wollte er sich jeden Moment auf ihn stürzen. Und noch während Marco sich fassungslosnach Kay umdrehte, wurde er von einem Schlag auf den Hinterkopf überrascht und sank in sich zusammen.
    »Los, drück ihn auf den Boden, Eivind!«, rief Kay, ging selbst neben Marcos Kopf in die Hocke, zog dessen Arme an sich und begann, seine Handgelenke mit irgendetwas zusammenzubinden.
    Marco versuchte, etwas zu erkennen, aber ein Bombardement von Licht in seinem Kopf setzte einen seltsamen Filter über alles, sodass er seine Umgebung nur verschwommen wahrnahm.
    Reflexartig versuchte er, die Arme an den Körper zu ziehen und sich etwas zu drehen, aber da sauste es neben seinem Ohr, und er spürte den nächsten Schlag.
    »Au! Warum macht ihr das? Ich hab euch doch nichts getan. Ich verschwinde auch wieder, ich will nur …«
    Da traf ihn ein weiterer Schlag. Gleichzeitig bohrte sich Eivinds spitzes Knie in seine Rippen, sodass er kaum Luft bekam.
    »Ja, wir haben ihn. Kommt her, beeilt euch.« Das war Eivinds Stimme, direkt über ihm.
    Jetzt konnte Marco beide deutlich erkennen, Eivind, der halb auf seinem Zwerchfell kniete, das Telefon in der Hand, und Kay, der neben seinem Kopf hockte und seine Unterarme gepackt hielt. Kay sah nicht gut aus, er hatte immer noch Schwellungen und Blutergüsse im Gesicht und am Hals.
    Marco lag jetzt ganz still da und sah die beiden Männer an, die ihm so viel gegeben hatten. Eivinds Gesichtsausdruck war derart verzweifelt und gequält, dass Marco unwillkürlich die Tränen kamen.
    Vielleicht waren es diese Tränen, die Eivind rührten. Vielleicht wurde ihm bewusst, wie klein und ohnmächtig Marco letztlich war, dieser Junge, dessen sie sich so liebevoll angenommen hatten. Dem sie das Kartenspielen beigebracht und um dessen Dänischkenntnisse sie sich bemüht hatten. Dem sie den Glauben an sich selbst hatten vermitteln wollen und die Zuversicht, dass es auch für ihn eine Zukunft gab.
    In dem Augenblick spiegelte sich in Eivinds runzeligem Gesicht seine innere Veränderung. Frustration und Zornesfalten schwanden, der Mund begann zu zittern, und schließlich liefen auch Eivind die Tränen über die Wangen.
    »Ich weiß nicht, was du denen getan hast, Marco«, sagte er und bemühte sich, mit fester Stimme zu sprechen. »Aber wenn du nicht ein für alle Mal aus unserem Leben verschwindest, fallen sie wieder über uns her. Und noch einmal verkraften wir das nicht. Deshalb müssen wir dich ihnen ausliefern. Wir haben keine andere Wahl. Gebe Gott, dass sie dir nichts zuleide tun.«
    Kay hatte nicht so viel Mitgefühl. »Ich hoffe, sie tun genau das mit dir, was sie mit mir gemacht haben, hörst du? Die haben unser Leben zerstört. Wir wagen noch nicht einmal mehr, unserer Arbeit nachzugehen. Alles nur wegen dir!«
    Marco war wie gelähmt vor Entsetzen. In fünf Minuten würden sie hier sein, spätestens, schließlich waren sie überall in der Nachbarschaft verstreut.

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