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Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Titel: Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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gleichzeitig erleichtert. Man spürte, dass sich etwas anbahnte.
    »Hört: Mir wurde bedeutet, dass ich mich auf einem Irrweg befand«, fuhr Zola fort. So redete er immer, wenn sie sich versammelt hatten, daran waren sie schon gewöhnt.
    »Von heute an sorge ich nicht nur für euer materielles Auskommen, sondern werde auch euer geistiger Anführer sein und euch zu neuen großen Zielen führen.«
    Marco war wie gebannt vom intensiven Blick seines Onkels. Die anderen schauten Zola fragend an.
    »Nun, selbst wenn wir viele Jahre lang wie ›Zigeuner‹ gelebt haben: In Wahrheit sind wir es nicht. Keiner von euch ist ein echter ›Zigeuner‹.« Sein Ton duldete keine Nachfrage.
    Marco runzelte die Stirn und saß ganz still da, während sein innerer Schutzwall vor der Welt in sich zusammenfiel. Es war ihm, als würde er plötzlich ganz kontur- und wehrlos, innerlich ganz leer.
    »Auch wenn wir uns innerhalb der Familie verwandtschaftlich verbunden fühlen – nicht alle von uns sind es. Aber das spielt für uns auch überhaupt keine Rolle, ja, es ist sogar besser so. Denn uns hat Gott zusammengeführt.«
    Was war denn das wieder für ein Quatsch? Die anderen saßen wie hypnotisiert um ihn herum, nur Marco starrte auf den Boden. Wir sind nicht verwandt, hatte sein Onkel gesagt. Aber was denn dann?
    Zola breitete die Arme aus, als wollte er sie alle auf einmal umarmen. »Hört zu. Es gab einen Tag, an dem alles stillstand. Einen Tag, an dem nicht eine Fliege vom Himmel fiel, kein Krieg Verwüstungen anrichtete, niemand zu Tode kam. Nichts geschah an diesem denkwürdigen Tag. Denn Gott wollte, dass dieser Tag als der reinste Tag auf Erden in sich selbst ruhen solle.« Er nickte. »Und warum sorgte Gott für einen solchen Tag? Ich werde es euch sagen. Er tat das, um den perfekten Rahmen zu schaffen für ein bedeutungsvolles Ereignis.« Er kniff die Augen zusammen. »Und wisst ihr, was das war, Kinder?«
    Wieder schüttelten die meisten den Kopf, selbst einige der Erwachsenen schienen nicht anders zu können.
    »Es war meine Geburt am 11. April 1954.« Er lächelte so breit, dass man sein Zahnfleisch sah. Schon lange hatte er nicht mehr so gelächelt.
    Fast alle Erwachsenen applaudierten. Aber die Kinder starrten Zola an, als hätten sie die Geschichte von dem fantastischen Tag nicht recht verstanden.
    So ein Schwachsinn, dachte Marco, versuchte aber tunlichst, sich nichts anmerken zu lassen. Er wusste ja, wie jähzornig Zola war.
    Der hielt den Kopf gesenkt, als wäre er von seiner Performanceüberwältigt. Schließlich blickte er auf und gebot ihnen mit einer Handbewegung zu schweigen. Und dann erzählte er ihnen seine Geschichte. Wie er als junger Mann in Little Rock vor seiner Einberufung als Soldat nach Vietnam untergetaucht war und wie er später in Italien unter Gleichgesinnten in der Damanhur-Lebensgemeinschaft den Aufstieg der Flower-Power-Bewegung miterlebt hatte. Wie die Kluft der Hippies zu seiner Uniform wurde. Er sprach von den Monaten, als er sich von seiner Begeisterung für Norditalien vereinnahmen ließ und sich mit anderen Blumenkindern zusammentat, die sich seither als Familie betrachteten. Unter dem Sternenhimmel versprachen sich die Familienmitglieder, so Zola, dass sie in Umbrien eine eigene Gesellschaft gründen und solidarisch mit dem geschundenen Volk der Roma leben wollten.
    Das waren viele schwere Sätze, aber Marco begriff doch, was sie bedeuteten. Die Erwachsenen hatten ihn und die anderen Kinder belogen. Sie waren keine »Zigeuner«, und egal, was Zola sagte, in Zukunft würde es für ihn nicht leichter werden, Marco zu sein.
    Es war ihm, als zöge man ihm die Haut ab und ersetzte sie durch keine andere.
    Marco ließ seinen Blick über die Kinderschar schweifen, und was er sah, gefiel ihm nicht: Alle saßen wie versteinert da, keiner sagte ein Wort. Sie wirkten verunsichert, schutzlos. Nicht anders erging es den Erwachsenen.
    Hinter Marco standen zwei Männer mit unbewegten Mienen, dabei hatten sie sich vor kurzem erst zugeflüstert, dass die Damanhur-Gemeinschaft Zola seinerzeit wegen Diebstahls hinausgeworfen habe.
    Zola hob seine Arme. »Wie die Juden, so verurteilte Gott auch die Roma zur ewigen Wanderschaft auf Erden, so lange, bis sie sich seiner Gnade verdient gemacht hätten. Wie über Hiob hing auch über ihnen der Fluch, dass sie um ihren Lebensunterhaltbetteln und stehlen müssen. Aber das war lediglich ein Beispiel für die Prüfungen Gottes. So wie bei Abraham, den Gott aufforderte,

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