Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
aber gleichzeitig sperrte sich etwas in ihm dagegen. Teis Snap und Jens Brage-Schmidt mochten ja durch die Dokumentenvernichtung, die er vornehmen sollte, einen Vorteil haben, aber was war mit ihm? Riskierte er womöglich, in die Schusslinie zu geraten, wenn alles aufflog? Oder steckte hinter seinem mulmigen Gefühl noch etwas anderes?
»Und noch eins, René. Wir sind wegen der Aktien in Curaçao etwas nervös geworden. Sollten die Dinge hier zu Hause schieflaufen, könnte man nach Brage-Schmidts Einschätzung die Spur der Aktien zu uns zurückverfolgen, und dann riskieren wir, dass sie beschlagnahmt werden. Wir haben jemanden gefunden, der uns zehn Prozent unter Tageskurs geben will. Deshalb bräuchte ich eine Unterschrift von dir für die Bank in Curaçao. Genauer gesagt eine Vollmacht, damit ich zum Schließfach gehen und die Aktien rausholen kann.«
»Und was ist, wenn ich meine Aktien behalten will? Warum sollte ich zehn Prozent von fünfzehn Millionen einem Wildfremden überlassen, wenn ich selbst sie zum aktuellen Kurs verkaufen kann? Das musst du mir bitte erklären.«
»Du weißt doch, René, dass wir bei unseren Entscheidungen zusammenstehen müssen, und hier bist du nun mal in der Minderheit.«
René merkte, wie sich seine Nackenmuskeln anspannten. Er hatte das Gefühl, über ihm würde ein Henkersbeil hängen. Alle Signallampen blinkten rot. Und zwar nicht nur wegen der Bitteals solcher, sondern auch wegen der Umstände, unter denen sie überbracht wurde. Wie konnte es angehen, dass Teis Snap ihn in so delikater Angelegenheit einfach anrief? Noch dazu ohne Vorwarnung? Das Mindeste, was man hätte erwarten können, war eine Zusammenkunft, bei der sie die nötigen Beschlüsse einvernehmlich trafen.
Wollten sich Teis und Brage-Schmidt womöglich mit dem Gesamtvermögen absetzen? Wie konnte er sicher sein, dass sie bei all den momentanen Problemen seine Interessen wahrten? Dass sein Anteil nicht urplötzlich im Nirwana verschwand?
René wusste, dass er in dieser Sache seinem Bauchgefühl und seiner Menschenkenntnis trauen musste. Nein, dieses Chaos, das nicht er verursacht hatte, durfte keinesfalls auf seine Kosten gehen, das war mal sicher.
»Ich will Garantien, Teis. Schriftliche. Damit ich weiß, wo ihr steht. Ferner will ich, dass du meine Aktien, die über die Karrebæk-Bank laufen, zum Tageskurs handelst. Und wenn du dann den Gegenwert auf ein Konto bei der Danske Bank überwiesen hast, bekommst du die Vollmacht von mir. Sobald du die Aktien verkauft hast, schickst du sämtliche Belege der Order per Kurier an mein Büro hier im Ministerium. Und auch deine schriftliche Stellungnahme will ich – als Garantie für mich – hierhergeschickt bekommen. Bevor ich das alles nicht habe, Teis, rühre ich keinen Finger.«
Am anderen Ende der Leitung war es für einen Moment still, und René wusste, was das bedeutete: Teis Snap war außer sich vor Wut. Als er schließlich antwortete, klang seine Stimme gepresst.
»Das geht nicht, und das weißt du genau, René. Wir haben nicht die nötigen Mittel, um dir deine dänischen Aktien zu dem Kurs einzulösen. Und wenn du darauf beharrst und sie trotzdem verkaufst, dann wäre die Konsequenz, dass außenstehende Großaktionäre bei uns einsteigen, die wir nicht kontrollieren können. Die könnten Aufsichtsratsposten verlangen und bekämenzu tief Einsicht. Das geht einfach nicht, das kann ich nicht zulassen. Nicht jetzt!«
»Okay. Und was ist, wenn ich unter diesen Umständen nicht zustimme, dass ihr den Jungen umbringt?«
René Eriksen zählte die Sekunden. Im Studium hatte Teis Snap nicht zu den Allerschnellsten gehört, und daran hatte sich nichts geändert. Er hatte zwar ein gutes Gespür in Finanzfragen, aber es fehlte ihm einfach an wirklich genialen und hervorstechenden Ideen. Und je länger Teis’ Redepausen dauerten, das wusste René aus Erfahrung, umso größer war die Klemme, in der er saß.
Diesmal war die Pause erstaunlich kurz und die Antwort auch.
» Wenn du nicht zustimmst, sagst du. Aber du stimmst natürlich zu.«
Und dann legte er auf.
In der nächsten halben Stunde wollte Eriksen von niemandem gestört werden.
Seitdem sie mit dieser Geschichte angefangen hatten, war der Kurs von Eriksens A-Aktien in der Karrebæk-Bank um zweihundertfünfzig Prozent gestiegen. Oder anders ausgedrückt: Er besaß im Augenblick Aktien im Wert von vierzehn Komma sieben Millionen Kronen. Für diese Summe konnte er auf der anderen Seite des Globus
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