Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)

Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)

Titel: Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lillian Crott Berthung , Randi Crott
Vom Netzwerk:
feindseliger
gegenüber. Gerüchte über Verhaftungen, Deportationen und Hinrichtungen in ganz
Norwegen versetzen die Menschen in Unruhe und Wut.
    Helmut kommt nicht mehr so oft wie früher in die Halvdansgate, um
Lillian abzuholen. John begegnet ihm nur noch kühl und abweisend. Für Helmut
ist es schwer, dass der Norweger in ihm nun vor allem den Deutschen in Uniform
sieht. Er spürt zunehmend, dass ihn die Berthungs einfach nicht mehr sehen
wollen. Noch mehr belastet ihn, dass Lillian wegen ihrer Beziehung leiden muss.
Nachdem er seinen Eltern von seinen Sorgen erzählt hat, schreibt der Vater am
22. Mai 1944 zurück:
     
    Wir können die Eltern in der Sorge um ihr Kind wohl
verstehen, und Du hast ja auch wohl selbst keinen Anlaß gefunden, ihnen das
auch nur innerlich zum Vorwurf zu machen. Ich habe das seit der grundlegenden
Änderung der Verhältnisse schon mehrmals angeschnitten. Der Vater sieht die
Sache sich auch schon klarer abzeichnen und will anderen Leuten keine Handhabe
geben. Was bislang gewesen, dürfte für ihn schon unangenehm genug werden
können. Die kleine Hun gefällt mir natürlich ob ihrer Haltung
immer besser.
     
    Trotzdem: Lillian fühlt sich unglücklich und niedergeschlagen.
Ihr Leben läuft jetzt so ganz anders, als sie es sich erträumt hat. Anstatt im
Hörsaal zu sitzen und den Vorlesungen berühmter Archäologen zuzuhören, sitzt
sie in der Stadtkommandantur, muss Unteroffizier Aschers Aufträge ausführen,
seine Blicke ertragen und hat zu allem Überfluss noch ein gespanntes Verhältnis
zu den Eltern. Ihre Tante Wally spricht nicht mehr mit ihr, und einige der
alten Freundinnen meiden sie. Vera hat den Kontakt zu ihr sogar ganz
abgebrochen. »Weil du mit einem Deutschen befreundet bist«, schreibt sie
Lillian spitz aus Oslo.
    »Was soll nur werden, min kjære Helmut«, fragt Lillian, als sie sich
das nächste Mal treffen, »alle sind gegen uns, wir sind ganz alleine.«
    Helmut schüttelt den Kopf. »Ich weiß, wie schwer es für dich ist,
aber ich kann nur hoffen, dass du nicht an uns zweifelst. Als ich dich vor zwei
Jahren in der Hütte zum ersten Mal sah, habe ich mich sofort in dich verliebt,
und ich kann gar nicht in Worten ausdrücken, was du seitdem für mich bedeutest.
Mein Leben hat nun endlich einen Sinn bekommen. Und trotzdem will ich nicht,
dass du es jetzt zu Hause wegen mir so schwer hast.«
    Lillian fasst seine Hand. »Wenn ich meinen Eltern nur die Wahrheit
sagen könnte, dass du in Gefahr bist, weil deine Mutter Jüdin ist!«
    »Nein, Lillian, das geht nicht. Du hast mir versprochen, dass du es
niemandem erzählst, hörst du! Bitte verrate mich nicht! Wenn du es deinen
Eltern erzählst, dann musst du es auch deinen Geschwistern sagen. Und wenn die
es ihren besten Freunden erzählen, dann wird der Kreis der Menschen, die mein
Geheimnis kennen, immer größer. Lillian, bitte verzeih, aber ich kann nur dir
trauen.«
    Als er ihre Tränen sieht, fährt er fort: »Wer weiß – vielleicht ist
dieser Krieg auch schon bald vorbei. Es sieht nicht gut aus für die Deutschen
an der Front.«
    »Und das heißt?«
    »Dass es für uns vielleicht doch noch eine Zukunft gibt.«
     
    Zwei Monate später am 17. August 1944 haben sich die
Offiziere der Kommandantur vor dem Radio versammelt. Die »Russland-Fanfare«
erklingt. Les
Préludes , Franz Liszt. Sondermeldung des Oberkommandos der
Wehrmacht von der Ostfront. Lillian und Ulvall hören durch die halbgeöffneten
Doppeltüren die überschnappende Stimme des Sprechers.
    »Bolschewistische Sommeroffensive … Richtung Ostpreußen und Weichsel … Unsere Streitkräfte … schwere Kämpfe … Abwehrschlacht …«
    Es sind nur Fetzen zu verstehen.
    Die meisten der Offiziere im Raum nebenan kommen aus Schlesien. Und
Richtung Schlesien marschiert jetzt offenbar die Rote Armee. Der
Stadtkommandant steht mit gesenktem Kopf vor seinem Schreibtisch. Niemand sagt
etwas. Plötzlich verliert ein Leutnant die Fassung. Er sinkt auf einen Stuhl
und schlägt die Hände vors Gesicht.
    »Reißen Sie sich gefälligst zusammen«, schreit ihn einer der
Offiziere an. »Der Führer wird in den nächsten Tagen eine neue Geheimwaffe
einsetzen und die wird es ihm ermöglichen, den Feind vernichtend zu schlagen.
Der Führer lässt das deutsche Volk nicht im Stich.«
    Der Offizier schlägt die Hacken zusammen und reckt – »Heil Hitler!« – den Arm zum Gruß. Dann stürmt er aus dem Raum. Vorbei an Lillian und Ulvall.
    Der Kommandant und sein Adjutant sind

Weitere Kostenlose Bücher