Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)
Ich hoffe, es passt
und bei Ihnen ist alles ist in Ordnung. Heutzutage geschieht ja so vieles …« Es
ist still am anderen Ende der Leitung. Lillian legt den Hörer auf, bezahlt das
Gespräch und verlässt schnell das Gebäude. Draußen atmet sie tief durch. Sie
ist froh und erleichtert, dass sie so gehandelt hat. Es bleibt nur die
Unsicherheit, ob Frau Borgens sie wirklich verstanden hat.
Die Barkasse legt am nächsten Morgen pünktlich um 9 Uhr im Hafen ab.
Lillian hat sich lange Hosen und Lederstiefel angezogen. Die Jacke aus
Schafsfell und die Pelzmütze schützen sie vor dem starken Wind und der Kälte.
Außer dem norwegischen Bootsführer sind noch zwei Feldgendarme mit
an Bord. Lillian kennt ihre Uniformen nur zu gut, seitdem Helmut an der
Bushaltestelle von ihnen abgeführt worden ist. Das Boot nimmt Fahrt auf, die
Gischt schäumt über den Bug. Lillian hockt in einer Ecke neben der Kajüte des
Bootsführers. Sie fühlt seinen mürrischen Blick. Bestimmt hält der Mann sie für
eine Verräterin, weil sie mit diesen Deutschen gekommen ist. Die beiden
Feldgendarme sitzen achtern auf einer Bank. Über ihnen weht die
Reichskriegsflagge. Wenn Lillian nur verstehen könnte, was sie sagen.
Anscheinend geht es um die verschwundenen Elektrogeräte. Aber der Wind verweht
ihre Worte.
Nach einer halben Stunde Fahrt ist die kleine Kaianlage auf der
anderen Seite des Fjords erreicht. Ein paar Anwohner beobachten, wie sie an
Land klettern, und Lillian ist es sehr unangenehm, dass sie zusammen mit den
Deutschen gesehen wird. Die beiden Feldgendarme gehen vor ihr. Der eine ist ihr
schon von Anfang an besonders unangenehmen aufgefallen, ein Untersetzter, der
aussieht, als ob er hart und brutal zuschlagen kann, wenn es darauf ankommt.
Die Küchentür des weiß getünchten Hauses steht offen. »Polizei«,
ruft der Untersetzte. Eine kleine Frau erscheint. Ja, sie ist Frau Borgens.
Lillian übersetzt, warum die Männer gekommen sind.
»Nun, mein Sohn arbeitet in einem deutschen Lager, aber ich habe nie
gesehen, dass er elektrisches Material mit nach Hause gebracht hat.«
Der Untersetzte will sich nicht länger aufhalten lassen. Er schiebt
Frau Borgens zur Seite, geht ins Wohnzimmer und beginnt mit der
Hausdurchsuchung. Das Sofa wird von der Wand geschoben, jedes Kissen
herumgedreht. Dann ist der Eckschrank an der Reihe. Bücher fliegen aus den
Regalen. In der Küche wird der Backofen untersucht. Und die Pfannen und die
Töpfe.
Lillian versucht, Frau Borgens entsetzten Blick aufzufangen, aber
die schaut nur an ihr vorbei. Lillian würde ihr so gerne irgendwie zu verstehen
geben, dass sie das gestern Abend am Telefon war, aber das ist natürlich nicht
möglich.
Die Feldgendarmen sind inzwischen im Schlafzimmer der Borgens
angekommen, sie heben die Matratzen hoch, werfen Unterwäsche und Handtücher aus
den Schränken auf den Boden, finden aber nichts.
»Was ist das für eine Tür?« Lillian übersetzt.
»Das ist der Einstieg zum Keller.« In den Kellerräumen heben die
Deutschen Kisten und Schachteln hoch und treten gegen einen Eimer. Kartoffeln
kullern über den Boden. Nichts zu finden. Die Feldgendarmen fluchen. »Wir
werden euer Diebesgut schon noch finden, wartet nur ab.« Auch das muss Lillian
übersetzen. Dann ist die Hausdurchsuchung endlich vorbei.
Ein eisiger Wind ist aufgekommen und treibt den Schnee über den Kai.
Der Bootsführer kann nur mit großer Mühe das Boot am Steg halten, damit Lillian
und die beiden Feldgendarme wieder an Bord gehen können. Plötzlich rutscht der Untersetzte
auf der glatten Bootskante aus. Erst im letzten Augenblick kann ihn der
Bootsführer greifen und an Bord ziehen. Als Lillian die Angst in den Augen des
Untersetzten sieht, fühlt sie Schadenfreude in sich aufsteigen.
Sie leben nur noch in Ruinen, deine Deutschen
Juni – August 1944
Im Juni 1944 wird Helmuts Kompanie nach Finnland verlegt. Von
dort aus soll sie später an die Ostfront gehen. Lillian weiß nicht, wie Helmut
es gemacht hat, aber er schafft es, in Harstad zu bleiben. Ihr sagt er nur:
»Ich habe die Einheit gewechselt.« Er ist jetzt Bataillonsschreiber beim
Pionier-Schären-Bataillon unter Oberleutnant Röttgers. Helmuts Schreibtisch
steht in dem kleinen gelben Holzhaus oberhalb des Harstad Botn in Seljestad, das die Deutschen nun auch noch besetzt haben. Die Familie, die
bisher dort gelebt hat, hat man kurzerhand woanders untergebracht.
Die Menschen in Harstad stehen den Deutschen immer
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