Erzaehl es niemandem
untergebracht sind, träumt er sich weg und denkt
an seine Zeit in London. Er denkt an Bobby Riggs, den Amerikaner, der im Juli
1939 nach dem Sieg über seinen Landsmann und Doppelpartner Elwood Cooke
Wimbledon-Sieger geworden ist. Helmut Crott hatte für das Turnier, das das
letzte vor dem Krieg sein sollte, zwar keine Karte bekommen können, aber er
kennt Wimbledon. Schon bald nach seiner Ankunft in London ist er dorthin
gefahren, um sich den berühmten Rasen aus der Nähe anzusehen.
Crott mag den weißen Sport, seitdem er sich als Balljunge ein paar
Pfennige im Wuppertaler Tennisclub verdient hat. Das Spielen konnte er sich
dabei mehr oder weniger durch Anschauung selbst beibringen. Sein Talent ist so
auffallend, dass Anfang der dreißiger Jahre nach einem Spiel ein Mann auf
Helmuts Vater zukommt und seinen Sohn für die Nationalmannschaft werben will.
Zu der Zeit macht ein Gottfried von Cramm von sich reden, der später die Nummer
zwei der Weltrangliste werden soll. Von Cramms Eltern haben ihrem Sohn erlaubt,
sein Jura-Studium abzubrechen und sich ganz auf die Tenniskarriere zu
konzentrieren. Helmut Crotts Vater vertritt jedoch eine andere Auffassung. Sein
Sohn soll ebenfalls Jura studieren. Aber bitte mit Abschluss.
Trotzdem bleibt Tennis die große Leidenschaft Crotts. Obwohl er mit
seinen 1,68 kein Spieler-Gardemaß hat, ist er durch sein intelligentes und
variables Spiel sehr erfolgreich. Niemand im Klub kann die Stoppbälle so
gefühlvoll setzen, niemand die Lobs so effektvoll über den Gegner
hinwegspielen, und niemand ist so schnell wie er vorn am Netz oder zurück an
der Grundlinie.
Der junge Crott ist überaus beliebt in seinem Tennisclub, man
schätzt dort nicht nur sein schönes Spiel, sondern auch seinen Humor, seinen
Witz, und die Spielerinnen vor allem seinen Charme.
Als er an einem Wochenende im April 1933 aus Frankfurt nach
Wuppertal fährt, um wieder einmal in seinem Klub Tennis zu spielen, wird er
allerdings hinausgeworfen.
Auch jetzt, sieben Jahre später, ist ihm noch immer alles so gegenwärtig,
als wäre es erst gestern gewesen: Er kommt in den Klub, Maser, der Vorsitzende,
fasst ihn am Ärmel und zieht ihn in eine Ecke: »Mensch, Helmut, das geht nicht
mehr! Du weißt doch, wie die Dinge im Reich jetzt stehen. Mir sind die Hände
gebunden, aber du kannst einfach nicht mehr in unserem Klub spielen. Heil
Hitler, Herr Crott …«
Crott wirft sich unter seinem Soldatenmantel hin und her.
»Heimweh, Kamerad?«, brummt der Mann neben ihm auf dem kalten
Steinfußboden. »Jetzt schon? Der Krieg hat doch noch gar nicht richtig
angefangen.«
Weserzeit ist 5.15 Uhr
Januar – April 1940
Anfang 1940 liegt Hitler die Studie Nord vor. Sie zeigt, wie die Besetzung Norwegens vonstatten gehen kann. Jetzt wird
neben strategischen Gesichtspunkten auch das schwedische Erz thematisiert. Über
die Hälfte allen Eisenerzes für die deutsche Rüstungsindustrie kommt zu diesem
Zeitpunkt aus dem schwedischen Kiruna, und besonders die Stahlwerke im Ruhrgebiet
werden von diesen Erzquellen über Narvik versorgt.
Am 20. Februar 1940 ernennt Hitler General Nikolaus von Falkenhorst
zum Oberkommandierenden für die Besetzung Norwegens und Dänemarks. Der General
hat zu dem Zeitpunkt keinerlei Kenntnisse über Norwegen. Nachdem er die Reichskanzlei verlassen hat, geht er in die
nächste Buchhandlung und kauft sich erst einmal Baedekers »Norwegen – Handbuch
für Reisende« 15 .
Am 28. Februar wird Generalmajor Richard Pellengahr, der Chef der
196. Infanteriedivision, zu der auch der Gefreite Crott gehört, in den
Bendlerblock in Berlin einbestellt. In einem vertraulichen Gespräch mit von
Falkenhorst erfährt er von den Plänen Hitlers und ist genauso überrascht wie
zuvor sein Gesprächspartner. Es ist nicht bekannt, ob von Falkenhorst ihm sein
gerade angeschafftes Exemplar des norwegischen Reiseführers überlassen hat oder
ihm den Tipp gegeben hat, sich das Buch selbst zu besorgen. Pellengahr erinnert
sich jedenfalls später, dass er mit einem Baedeker unter dem Arm nach Hause
fuhr. »Während der gesamten Rückfahrt war ich mit all den Fragen
beschäftigt, die sich im Zusammenhang mit dieser Operation auftaten.« 16
Vierzehn Tage später wird das Unternehmen aktenkundig:
Die Entwicklung der Lage in Skandinavien
erfordert es, alle Vorbereitungen zu treffen, um mit Teilkräften der Wehrmacht
Dänemark und Norwegen zu besetzen (»Fall Weserübung«). Hierdurch soll
englischen Übergriffen nach
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