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Erzaehl es niemandem

Erzaehl es niemandem

Titel: Erzaehl es niemandem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randi Crott , Lillian Crott Berthung
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geschwungenen
Lippen hier auf diesem Bild viel voller ist als in meiner Erinnerung.
    Abbildung 12
     
    Ich habe diesen Mund schmaler, verschlossener erlebt. Ob das daran
liegt, dass mein Vater in den Jahren, nachdem diese Aufnahme gemacht worden
ist, die Lippen aufeinanderpressen und über vieles schweigen musste? Mein Vater
lebte in seinen Soldatenjahren ständig in Angst. Er hat sehr wohl gewusst, dass
seit 1940 Bestrebungen liefen, alle »Mischlinge« aus der Wehrmacht zu
entfernen.
     
    Im Frühjahr 1940 wurde Hitler von
ideologischen Tugendwächtern darüber in Kenntnis gesetzt, dass Mischlinge auf Heimaturlaub
sich öffentlich in Wehrmachtsuniform zeigten, womöglich sogar in Begleitung
ihres volljüdischen Elternteils. Ein entsetzter Hitler ordnete daraufhin prompt
die Ausarbeitung einer neuen Wehrdienstweisung an, die am 8. April 1940 in Kraft
trat und Halbjuden wie auch Männer mit jüdischer Ehefrau ausschloss. Die
Weisung betraf rund 25 000 bereits in der Wehrmacht dienende Männer. 29
     
    Zum Zeitpunkt dieses Erlasses ist der Überfall auf
Norwegen bereits in vollem Gange. Die Feldzüge nach Polen, nach Frankreich und
eben auch nach Norwegen haben die »Mischlinge« also schon mitgemacht. Nun geht
es darum, sie wieder aus der Wehrmacht zu entfernen.
    Der Begriff »Mischling« war in den ersten beiden Jahren der
nationalsozialistischen Herrschaft nicht benutzt worden. Alle Juden oder
Personen mit jüdischem Eltern- oder Großelternteil waren im amtlichen
Sprachgebrauch »Nichtarier«. In den Ausführungsverordnungen zu den Nürnberger
Gesetzen wird dann ab 1935 zwischen »Volljuden« und »Mischlingen ersten Grades«
und »Mischlingen zweiten Grades« unterschieden.
    Im Unterschied zu »deutschblütigen Reichsbürgern« sind Juden »Staatsangehörige«,
»jüdische Mischlinge« dürfen sich als »vorläufige Reichsbürger« bezeichnen.
    In dem Buch von Bryan Mark Rigg über Hitlers jüdische Soldaten ist
der »Halbjude« Hans-Geert Falckenberg zitiert, der 50 Jahre nach Kriegsende
während einer Veranstaltung sagte: »Dass das Wahnsinn war, das wurde überhaupt nicht
    diskutiert, von niemandem in Deutschland. Vergessen Sie das nicht.« 30
     
    Mein Vater hatte schon bei seiner Einberufung sehr darauf geachtet,
nicht aufzufallen, und daher vor allem seinen Doktortitel verschwiegen. Somit
konnte er gar nicht erst für die Offizierslaufbahn in Betracht gezogen werden,
was in der Konsequenz eine genaue Untersuchung seiner »rassischen« Herkunft
bedeutet hätte.
    So heftet der promovierte Jurist und ehemalige Londoner Angestellte
der Vereinigten Stahlwerke AG im Juli 1941 im
Geschäftszimmer der Wehrmacht in Sörumsand lieber die Personalbögen und
Urlaubsanträge ab. Doch dann liegen auf einmal neue Formulare auf seinem
Schreibtisch. Und eine Verordnung des Oberkommandos des Heeres aus Berlin vom
16. Juli 1941:
     
    Vorstehende Verfügung wird erneut bekannt
    gegeben.
    A. Begriffsbestimmungen der Nürnberger
    Gesetze
    a) Jude (Jüdin) ist, wer von mindestens 3 der
Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt. Als Jude (Jüdin) gilt auch der
von 2 volljüdischen Großeltern abstammende staatsangehörige jüdische Mischling,
der am 14.11.35 der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat.
    b) 50%iger jüdischer Mischling ist, wer von 2
der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt.
    Der Nachweis der Abstammung beim Truppenteil
(Dienststelle) ist von sämtlichen Wehrmachtangehörigen durch Abgabe der als
Muster beigefügten pflichtgemäßen Erklärung zu führen, soweit er nicht durch
Vorlage von Urkunden erbracht wird. Wenn der Nachweis bisher noch nicht geführt
sein sollte, ist dies nachzuholen. 31
     
    Unter »Zusätze« wird festgehalten:
     
    »Sollte festgestellt werden, dass sich noch 50%ige Mischlinge
oder Wehrmachtangehörige, die mit 50%igen Mischlingen oder mit Jüdinnen
verheiratet sind, im aktiven Wehrdienst befinden, so sind diese unverzüglich –
beim Feldherr über den zuständigen Ersatztruppenteil – in das
Beurlaubtenverhältnis zu entlassen.«
     
    Die beigefügte Erklärung hat den folgenden Wortlaut:
     
    Nach sorgfältiger Prüfung der mir zur Verfügung stehenden Unterlagen
erkläre ich pflichtgemäß, daß ich – meine Ehefrau – … %iger jüdischer Mischling bin. Über den
Begriff jüdischer Mischling in diesem Zusammenhang bin ich durch meinen Disziplinarvorgesetzten
belehrt worden. Mir ist bekannt, daß ich Strafverfolgung zu gewärtigen habe,
falls sich die

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