Erzaehl es niemandem
aus dem Osten« zu schützen.
Drei Monate nach den Österreichern, die an die Front nach Finnland
verlegt werden, kommen die deutschen Okkupationstruppen nach Harstad. In den
folgenden Wochen wird alles reglementierter. Auf Plakaten und in
Bekanntmachungen werden zahlreiche Verbote und Gebote veröffentlicht. Auch
Gestapo und SS richten sich in der Stadt ein. Die Gestapo hat ihren Sitz in den Räumen der
Molkerei, und in den Straßen erkennt man die Männer an den langen dunklen
Ledermänteln und den Hüten.
Die Dämmerung des Herbstes liegt schwer über den Menschen und der
Landschaft. Ein Winter der Besatzung steht bevor, alles wirkt so trist,
besonders, wenn das kurze Tageslicht hinter den Bergen verschwunden ist. Die
Verdunklungsgardinen, die die Norweger auf Befehl der Deutschen besorgen
müssen, sind genau in die Fensteröffnungen eingepasst, kein Lichtschimmer soll
nach außen dringen. In der amtlichen Mitteilung liest Lillian, dass feindliche
Flugzeuge sonst Harstad entdecken könnten, selbst aus großer Höhe. Wer die
Verordnung nicht ernst nimmt, wird mit schweren Strafen bedroht.
Die Versorgung mit Lebensmitteln, die immer über den Seeweg
erfolgte, wird noch schwieriger. Die Schiffe können wegen U-Boot-Alarm und
Minengefahr kaum noch in den Hafen einlaufen. Heimlich betreibt man Tauschhandel,
Silberlöffel, Porzellan oder ein Gemälde gegen etwas Fleisch, Butter, Milch
oder Eier. Man spricht in diesen Tagen überall leise in Harstad, nicht nur,
wenn es um politische Themen geht.
Abbildung 11
Von denen, die noch heimlich Radio hören können, weil sie
ihren Apparat besser vor den Deutschen versteckt haben, erfährt man ab und zu
Nachrichten, die direkt aus England oder Schweden kommen und nicht den Umweg
über die Außenstellen des Reichspropagandaministeriums gemacht haben.
Aber die Menschen in Harstad fragen sich, was die Welt da draußen
von der Situation im okkupierten Norwegen und den Schwierigkeiten, die die
Besatzung mit sich bringt, weiß.
Kriegsjahre sind verlorene Jahre für jedes Volk, denn sie nehmen den
Menschen die Möglichkeit ihrer Entwicklung. Was in Harstad allerdings wächst,
ist die Hilfsbereitschaft der Menschen. Sie gilt jedoch nicht dem Feind
gegenüber, mit dem man jetzt leben muss und der sich in fast jedem Haus ein Zimmer
genommen hat. Denn Harstad ist mittlerweile ein wichtiger strategischer Ort für
die Okkupationsmacht geworden. Heer und Marine haben hier Tausende Soldaten
stationiert, außerdem ist die Stadt Durchgangsstation für viele Soldaten auf
ihrem Weg nach Finnmark, der nördlichsten norwegischen Provinz, und zu den
Fronten in Finnland und der Sowjetunion.
Überall werden Baracken als Durchgangslager errichtet. Die deutschen
Besatzer bestimmen mittlerweile das ganze Leben der Norweger. Die Zeitungen
dürfen nur das berichten, was die jetzigen Machthaber in Oslo vorgeben. Die
große Kaserne, in der früher norwegische Männer ihre militärische Ausbildung
bekommen haben, ist auch von den fremden Truppen besetzt. Hinter der Kaserne
ist jetzt alles Sperrgebiet geworden. Dort, wo im letzten Jahr noch die Kinder
zwischen den Offiziershäusern Schlitten gefahren sind, ist nun alles abgeriegelt.
Die Offiziersfamilien lebten in drei schönen Häusern, und das mittlere Haus hat
Lillian besonders in Erinnerung, denn dort hat Vera, ihre beste Freundin,
gewohnt. Als deren Vater 1938 nach Südnorwegen versetzt worden ist, versprachen
sich die Mädchen, das Band ihrer Freundschaft über Briefe aufrechtzuerhalten.
Es wird eines Tages für immer zerreißen.
Tore war unverletzt von der Front zurückgekehrt und besucht
inzwischen eine Landwirtschaftsschule weit weg von Harstad in Südnorwegen. Ab
und zu erhält Lillian einen Brief von ihm. Er leidet sehr unter seinen
Erlebnissen und den Grausamkeiten des Krieges. Er hofft auf ein Wiedersehen mit
ihr und darauf, dass das Leben wieder norsk , also
normal sein wird. Oft denkt er an den Abschlussball. Und an Lillian im grünen
Kleid. Es sind zwar nur ein paar Monate seit jenem Abend im Januar 1940
vergangen. Aber was hat sich in dieser kurzen Zeit nicht alles verändert!
Der Führer ist wegen meines Vaters entsetzt
Ich schaue meinen Vater an. Das Foto des 25-Jährigen hängt
über meinem Schreibtisch. Der Mann, den ich sehe, hat dunkle Haare über einer
hohen Stirn und dunkle Augen, deren Blick mir wehmütig scheint. Er geht in die
Ferne und irgendwo an mir vorbei. Mir fällt auf, dass der Mund mit den schön
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