Erzaehl es niemandem
für die Franzosen sind. 43
Die Verfolgung der norwegischen Juden beginnt im Mai 1940,
Verhaftungen und Deportationen nehmen ab Winter 1941/42 zu. Von den insgesamt
760 nach Deutschland deportierten Juden überleben nur 25. Ungefähr der Hälfte
der bei Kriegsausbruch in Norwegen lebenden 1800 Juden gelingt es aber, nach
Schweden zu flüchten und sich so in Sicherheit zu bringen.
Seit Februar 1942 ist Vidkun Quisling Chef einer reinen NS -Regierung,
allerdings unter der strengen Kontrolle des deutschen Reichskommissars. Die
Nasjonal Samling versucht in einer politisch-ideologischen Offensive auf eine
nationalsozialistische Revolution in Norwegen hinzuarbeiten. Das misslingt
nicht nur, sondern führt auch zu wachsendem Widerstand in der Bevölkerung.
Als Terboven
beispielsweise die Gründung eines norwegischen Sportverbandes verfügt, in den
sämtliche Sportvereine Norwegens einzutreten haben, verweigern sich die
Sportler. So kommt es, dass es während der Besatzung keine Sportveranstaltungen
mehr gibt. Und die, die von der Besatzungsmacht oder der Nasjonal Samling
organisiert werden, finden vor leeren Rängen statt. Die gesamte Sportjugend –
vom örtlichen Fußballverein bis zum großen norwegischen Skiverband – protestiert
damit auf ihre Weise gegen die neuen Machthaber. Auch die Schulen lassen sich
nicht für die Ideen der Nasjonal Samling einspannen – mit der Konsequenz, dass
im März 1942 1000 Lehrer verhaftet und auf Befehl Terbovens zur Zwangsarbeit
nach Nordnorwegen transportiert werden. 44
Vielleicht mehr als in irgendeinem anderen
besetzten Land haben die Norweger das Gefühl, daß ihre nationale Linie –
angefangen beim Widerstand des Königs und der Regierung gegen den deutschen
Überfall 1940 – richtig und lobenswert war. Dies hat dazu geführt, daß, während
die Deutschen dem Nationalstaat gegenüber mißtrauisch geworden sind und nach
gesamteuropäischen Lösungen streben, der Nationalstaat in Norwegen gestärkt
wurde und das Land als einziger der skandinavischen Staaten außerhalb der
Europäischen Union geblieben ist. In den letzten Jahren aber richtet sich der
Blick auch in Norwegen auf die zweifelhaften Seiten der Okkupationsgeschichte,
denen früher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. 45
Dazu gehört auch, dass man in Norwegen angefangen hat, sich
Gedanken darüber zu machen, wie das Land nach 1945 mit jenen jungen Frauen
umgegangen ist, die mit einem deutschen Soldaten zusammen waren.
Erzähl es niemandem
Juni 1942
An einem Sonntagnachmittag sind Pus und Lillian allein im Haus
in der Halvdansgate. Die Eltern sind zu Verwandten aufs Land gefahren und haben
den kleinen Bjørn mitgenommen.
Da schellt es. Es ist Helmut. Lillian ist sich unsicher, ob sie ihn
hereinbitten soll. Sie weiß, dass ihre Eltern das nicht gutheißen würden. Sie
sagt Helmut an der Tür und deutlich hörbar, dass sie mit der kleinen Schwester
allein zu Hause ist. Aber Helmut scheint nicht verstehen zu wollen, was sie ihm
damit sagen will.
Lillian seufzt. »Also gut, komm einen Augenblick herein, aber ich
muss mit Pus Schulaufgaben machen.«
Jetzt versucht er auch noch, den Arm um sie zu legen. Nein, das geht
nicht. Nicht jetzt. Nicht in der Halvdansgate. Sie schiebt ihn in die
Bibliothek und geht wieder zurück zu Pus in die Küche.
»Haben wir Besuch, Lillian?«
»Ja, Herr Crott ist vorbeigekommen, ich mache uns nur gerade Tee.«
»Meinst du, Mama und Papa hätten das gerne, Nuri?«
Pus schlägt ihr Rechenbuch zu und baut sich vor der großen Schwester
auf.
»Weißt du, was ich glaube? Der ist in dich verliebt. Er ist ja auch
wirklich ganz nett. Aber er ist und bleibt doch ein Deutscher.«
Lillian glaubt nicht recht zu hören. Was sagt die Kleine da?
»Übrigens hat Inger gestern zu mir gesagt, man hätte dich oben an
der Kirche gesehen. Mit einem Mann in Uniform. Ihr habt euch also heimlich
getroffen, nicht wahr? Du wirst ja rot, Lillian – also stimmt es.«
»Jetzt nicht, Pus. Wir reden später, ja?«
»Du wirst Schwierigkeiten bekommen, warte nur ab.«
Sie sagt das alles in einem Ton, den Lillian noch nie bei ihr gehört
hat.
»Ich gehe jetzt zu Inger«, sagt Pus und wirft den Kopf mit den
blonden Locken nach hinten. »Wir können nämlich unsere Rechenaufgaben sehr gut
auch ohne dich machen.« Sie nimmt ihre Bücher und ist auch schon verschwunden.
Der Kessel pfeift. Lillian stellt zwei Tassen auf ein Tablett und
gießt den Tee auf. Zum ersten Mal ist sie jetzt mit Helmut
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