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Erzaehl es niemandem

Erzaehl es niemandem

Titel: Erzaehl es niemandem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randi Crott , Lillian Crott Berthung
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Wir verlieren Heim und Heimat und Ihr das Elternhaus. Es ist
uns schwer ums Herz. Wir haben, seit wir mit der Abreise rechnen mussten, so
viel Liebe erfahren, daß wir die letzten Tage nicht aus unserem Leben streichen
möchten. 49
     
    Der Wuppertaler Jakob Kaufmann schreibt vor der
Deportation an seine Kinder:
     
    Nunmehr ist auch uns das Judenschicksal
    auferlegt. Heute ist der 14. Juli, wir haben noch 6 Tage, dann müssen wir unser
gemütliches Heim verlassen und die Fahrt in das Ungewisse machen. Wir kommen
nach Theresienstadt in Böhmen. Wir haben nicht geglaubt, dass Menschen in
meinem Alter den Wanderstab noch aufnehmen müssen, aber selbst Leute im
höchsten Alter müssen noch mit. Es ist ein schweres Los, welches uns getroffen.
Wir wollen hoffen, daß wir gesund bleiben und mit Gottes Hilfe diese traurige
Zeit überstehen. Ich habe das feste Gottvertrauen, daß für uns auch mal wieder
bessere Tage kommen. 50
     
    Als der Morgen des 20. Juli kommt, sind Heinz und Carola um
7 Uhr bei Tetta, packen Brote und andere Lebensmittel in Koffer und Bettsack.
Auch jetzt wird kaum gesprochen. Carola nimmt ihre Schwester fest am Arm, als
sie sich zum Steinbecker Bahnhof aufmachen müssen. Heinz folgt mit Tettas
Koffer und dem Bettsack. Auf dem Vorplatz sind schon viele Menschen versammelt.
Die Umarmungen wollen nicht enden. Dann ist Tetta mit den anderen im Bahnhofsgebäude
verschwunden.
    Henriette Callmann wird zusammen mit 246 Wuppertaler Jüdinnen und
Juden zunächst nach Düsseldorf transportiert. Von dort fährt am nächsten Tag um
10.17 Uhr ein neu zusammengestellter großer Deportationszug mit insgesamt fast 1000
Juden aus Düsseldorf, Essen, Oberhausen und den Juden aus Wuppertal ins Ghetto
Theresienstadt.
    Helmuts Eltern beschließen, ihrem Sohn nichts von Tettas Transport
nach Theresienstadt zu schreiben, sie wollen es ihm persönlich sagen.
    Im Dezember 1942 fährt Helmut auf Heimaturlaub nach Hause, mit dem
Zug durch Schweden – das neutrale Schweden gestattet erstaunlicherweise die
Durchreise deutscher Soldaten – dann mit dem Schiff nach Saßnitz und von dort
nach Wuppertal.
    Helmut freut sich sehr auf zu Hause und das Wiedersehen mit den
Eltern. Er will sie überraschen und kommt, anders als geplant, schon zwei Tage
vor Weihnachten in Elberfeld an. Als er in die Wohnung in der Blumenstraße
tritt, bemerkt er sofort, dass etwas anders ist – der Lehnstuhl im Erker ist
nicht besetzt.
    Seine Mutter sieht ihn nur an. Sein Vater nimmt seinen Arm und
erzählt, was passiert ist. Dann sehen Heinz und Carola Crott ihren erwachsenen
Sohn zum ersten Mal bitterlich weinen.
     
    Ich weiß nicht, ob meine Großeltern und mein Vater jemals
erfahren haben, wo und wie Tetta umgebracht worden ist. Ich weiß nicht, ob sie
nach dem Krieg nach ihrem Schicksal geforscht haben. Ich lese in der Begegnungsstätte Alte Synagoge in Wuppertal in den Akten, 51 dass
Henriette Callmann, meine Großtante, am 21. Juli nach Theresienstadt deportiert
worden ist, von dort am 21. September 1942 mit dem »Transport Bp nach
Treblinka, wo sie vermutlich sofort getötet wurde«. In der Gedenkstätte Yad
Vashem in Jerusalem ist ihr Name verzeichnet.

Annie erfährt von Lillians Beziehung zu einem Deutschen
    Juli 1942
     
    Lillian muss jetzt mit einem Geheimnis leben. Nach außen darf
sie sich nichts von dem anmerken lassen, was sie von Helmut bei seinem
überraschenden Besuch in der Halvdansgate erfahren hat. Aber innerlich ist sie
sehr aufgewühlt. Was passiert mit Helmut, wenn die Sache mit den Formularen
doch noch entdeckt wird? Wird er dann verhaftet werden? Kommt er in ein Lager?
Oder wird er sogar erschossen? Soll sie ihm Kleidung von ihrem Vater oder ihrem
Bruder geben, damit er nach Schweden fliehen kann? Wird er dazu falsche Papiere
brauchen? Und wie kommt man an die? Sie hat so viele Fragen. Und keine
Antworten. Sie kann, sie darf sich ja niemandem anvertrauen. Auch ihrer
Freundin Blanche nicht.
    Beim nächsten Treffen an ihrem Platz am Meer zeigt Lillian mehr
Zuversicht, als sie tatsächlich besitzt. Sie will Helmut ermutigen, nicht
entmutigen. »Es wird alles gut werden, min kjæreste.« Aber sie will auch noch
mehr von ihm und seiner Familie wissen.
    »Du musst mir von deiner Mutter erzählen. Wie ist es jetzt für sie
in Deutschland? Und wie groß ist die Gefahr tatsächlich für sie?«
    »Schwer zu sagen. Bis jetzt ist meine Mutter durch die Ehe mit
meinen Vater weitgehend geschützt. Mein Vater ist katholisch und«,

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