Erzaehl es niemandem
wohl weiterleiten, und jetzt
sind beide von euch in Setermoen erschossen worden. Es ist schrecklich!«
Lillian kann nicht weitersprechen. Sie schluchzt.
Helmut schweigt.
Sie wundert sich, dass er sie nicht in den Arm nimmt. Er steht
einfach bloß da und schaut nach oben, wo zwischen den Wipfeln ein Stück Himmel
zu sehen ist.
»Ja, das ist furchtbar, Lillian«, sagt er dann doch nach einer Weile.
»Aber glaub mir, auch wenn ich eine deutsche Uniform trage, ich habe nichts mit
diesen Dingen zu tun.«
»Und warum bist du dann deutscher Soldat? Du gehörst doch zur
deutschen Wehrmacht. Warum machst du da mit?«
Helmut sieht sie immer noch nicht an. Offenbar interessiert ihn nur
das kleine Stück Himmel.
»Wenn du nicht mehr mit mir zusammen sein willst, kann ich das
verstehen, Lillian. Du musst die Dinge so sehen, das ist mir völlig klar.«
Seine Stimme klingt jetzt ein wenig brüchig. »Manchmal sind die Dinge nicht so,
wie sie scheinen.«
Lillian merkt, dass er etwas zurückhält. Aber was? Sie merkt auch,
dass sie nicht weiterfragen soll. Nicht jetzt.
Deutsche Besatzung in Norwegen
Das Land ist während der fünfjährigen deutschen Okkupation
nicht nur ganz dem politischen und militärischen, sondern auch dem
wirtschaftlichen Willen der neuen Herren ausgeliefert. In seinem Schreiben an
Josef Terboven vom 27. März 1941 fordert Generaloberst Nikolaus von
Falkenhorst:
Auslieferung der Restmengen Heu, Stroh,
Fleisch und Fett, die durch Erlass des Oberkommandos der Wehrmacht vom
15.1.1941 befohlenen norwegischen Aufbringungssoll für die Zeit vom 1.8.40 bis
zum 31.7.41 bisher noch nicht geliefert sind. Auslieferung der für die
Versorgung der Wehrmacht bis zum 30.9.1941 benötigten und zugesagten Restmenge
ungebrannten Kaffees. Ermittlung und Bekanntgabe des gesamten in Norwegen vorhandenen
Zeltraumes sowie an Rucksäcken, Wetterschutzkleidung einschließlich
Gummistiefel und Arbeitsbekleidung unter Angabe der Lagerorte bis zum 1.5.1941.
Bereitstellung von zunächst 50 000 Paar Ski- bzw. Bergschuhen an Wehrmachtbefehlshaber
in Norwegen bis zum 15.5.1941.« 41
Die Wehrmacht nimmt sich also für ihre 400 000 Soldaten,
was sie braucht. Besondere Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung wird
dabei nicht genommen. Norwegen ist ohnehin das Land, das im Verhältnis zu
seiner Bevölkerungszahl die meisten deutschen Besatzungssoldaten auf seinem
Territorium ertragen hat.
Man weiß, dass noch viele Jahre nach dem Krieg so mancher ehemalige
Besatzungssoldat nach Norwegen gereist ist, um seiner Familie die Orte zu
zeigen, an denen er während des Krieges stationiert war. Dann war die
Verwunderung oft groß, wenn die Norweger ihn nicht freudig begrüßt haben und nicht
gemeinsam mit ihm über die alten Zeiten reden wollten.
Der norwegische Historiker
Ole Christian Grimnes resümiert, dass die Besetzung Norwegens weder in der
deutschen Geschichtsschreibung noch im Bewusstsein der Deutschen bis heute eine
große Rolle spiele. 42 Viele andere Ereignisse hätten Vorrang. Für
das norwegische Bewusstsein jedoch sei die deutsche Besatzung ein Trauma und
ganz zentral und die Erinnerung daran unauslöschlich.
Was die Norweger mit dieser Zeit verbinden, kann man
erfassen, wenn man ein Buch des Bundesarchivs über die Okkupationspolitik des
deutschen Faschismus in Norwegen und Dänemark liest. Die dort veröffentlichten
156 Dokumente mit Richtlinien, Vorschriften, Lagebeurteilungen und Aktenvermerken
lassen ahnen, wie der Terror der deutschen Sicherheitspolizei und ihres
gefürchteten Armes, der Gestapo, über den beiden Ländern gelegen hat.
Am 26. April 1942 hat dieser Terror auch Telavåg, ein
kleines Dorf an der norwegischen Westküste, erreicht:
An diesem Morgen überrascht die Gestapo in
einem Haus des Dorfes zwei aus Großbritannien eingetroffene Widerstandskämpfer.
Es kommt zum Schußwechsel, bei dem der Gestapochef von Bergen und sein
Stellvertreter, aber auch ein Untergrundkämpfer getötet werden. Vier Tage
später kommt die SS mit Reichskommissar Josef Terboven an der Spitze nach
Telavåg.
Sie sprengen und brennen sämtliche
Fischerhäuser nieder und vernichten das Hab und Gut der Bewohner. Die Gestapo
verhaftet alle Männer zwischen 16 und 60 und verschleppt sie ins
Konzentrationslager Sachsenhausen. Frauen und Kinder kommen nach wochenlangen
Verhandlungen mit dem Roten Kreuz frei.
Telavåg ist für die Norweger, was die
SS-Massaker von Lidice für die Tschechen oder Oradour
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