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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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wäre – er zeigte einfach nur ein ungewöhnliches Desinteresse an den nächtlichen Aktivitäten seiner Tochter. Wir allerdings hatten überhaupt kein Problem damit.
    Noch im Klub trennten wir uns von den Jungs, aber nicht bevor wir alle noch von ihnen umarmt wurden und Kamram seine Lippen auf meine Stirn drückte, ein kleiner warmer Funken. Nichts im Vergleich zu dem Blitz, der durch meinen Körper gefahren war, als Kamran beim Tanzen seine Arme um Delaney gelegt und sie nach hinten gebogen hatte – eine Vertrautheit, die nur durch Wochen des Zusammenseins bei Big Boss entstanden sein konnte.
    Auf dem Weg zu Delaney verfielen wir in unsere Ich-Arme-Routine. Das war unser Spiel, meins und Essence’. Ich hatte es erfunden, um sie mit ihren nicht enden wollenden Selbstmitleidsanfällen aufzuziehen. Es war nervig, aber wenigstens brachte es sie dazu, über sich selbst zu lachen. Dass ich Gewissensbisse hatte, dieses Spiel mit Delaney und jetzt auch noch mit Chloe zu spielen? Auch egal.
    Delaney fing an. »Ich bin so besoffen, ich werde tierisch kotzen, wenn ich nach Hause komme, und mein Vater wird mich wahrscheinlich umbringen, wenn ich bis dahin nicht schon gestorben bin. Ich Arme!«
    Chloe und ich sagten dann im Duett: »Arme Delaney!«
    Als Nächste war Chloe dran. »Die ganze Nacht hat keiner mit mir getanzt. Oder zumindest kein süßer Kerl. Nur so ein Depp mit einem Boy-Band-T-Shirt. Oh, und Milo. Ich Arme!«
    »Arme Chloe!«
    Dann war ich dran. Ich hätte so viel sagen können. Zum Beispiel: »Ich vermisse meine Schwester.« Oder: »Meine beste Freundin macht sich an meinen Freund ran.« Oder, das Schlimmste: »Ich habe seit zwei Monaten meine Tage nicht mehr bekommen und tierisch Schiss.«
    Delaney und Chloe warteten.
    Endlich sagte ich: »Mein BH ist zu eng und mein Kopf bringt mich um. Ich Arme.«

5
    Zwei Tage später war der Sommer offiziell zu Ende und ich startete als Zwölftklässlerin in der Elna-Mead-Highschool. Kamran belegte College-Vorbereitungskurse der So-gut-wie-alles-Kategorie: Integralrechnen, Computerwissenschaft, Physik, Wirtschaftslehre, Amerikanische Geschichte und Englisch, was wir gemeinsam hatten. Ich hatte den Kunstvorbereitungskurs und noch ein paar Kurse mit Delaney. Sie hatte Französisch mit Chloe, da lernten sie nicht nur in einer, sondern gleich in zwei Sprachen ihre Verschwörungen auszuhecken. Essence und ich liefen uns nicht über den Weg. Aber bei zweitausend Schülern, fünfhundert Zwölftklässlern, achtzig Klassenzimmern, zehn Toiletten … früher oder später würden wir uns sicher treffen.
    Mich in diesen Schulgängen nach einem ganzen Sommer wieder zurechtzufinden, hatte den gleichen Effekt wie nach Hause zurückzukommen – Entfremdung, als wenn ich im Leben eines anderen herumwandern würde. Den ganzen Tag waren meine Gedanken durch Zeitschleifen gereist, kreisten um mögliche Folgen, mögliche Auswirkungen . Ja. Nein . Bei Nein würde sich nichts ändern. Bei Ja würden sich lauter neue Möglichkeiten auftun.
    Poster hingen an den Wandtafeln, Ankündigungen verschiedener Aktionen und Clubs. Onlinespieler. Der Geografieklub. Scheinprozesse. DAS KOMITEE FÜR DEN WINTERBALL BRAUCHT DICH!
    Direkt vor dem Theater hing ein Flugblatt, das dazu aufrief, sich für eine Rolle im diesjährigen Musical Guys and Dolls zu bewerben – Essence’ Lieblingsshow. Sie kannte jeden von Adelaides Songs auswendig. Ich kannte jeden Song von Adelaide, seit sie mich gezwungen hatte, mir die Broadway-Aufnahme mindestens hundertfünfzig Mal anzuhören. Wenn ich Essence meiden wollte, dann musste ich nur dem Theater fernbleiben. Sie würde mich nur ansehen und wissen, dass etwas nicht stimmte – zehn Jahre Freundschaft lösten sich nicht so einfach in Luft auf.
    Der Test lag ganz unten in meiner Tasche. Ich hatte ihn unmöglich zu Hause lassen können – nicht bei dieser Mutter, die nur darauf wartete, jegliche Rebellion wie einen Bazillus auszumerzen. Was würde sie tun, wenn sie es herausfände?
    Sie würde es nicht herausfinden. Die Konsequenzen waren zu furchtbar, um darüber nachzudenken.
    Ich war so angespannt, dass ich Kamran gar nicht bemerkte, der bei meinem Spind herumlungerte. Zerzauste Haare, verwaschene Jeans und Kapuzenpulli, so kannte ich ihn gar nicht.
    »Miranda«, sagte er, »du bist mit den Gedanken im Weltall.«
    Sein Lächeln ließ mich zusammenzucken. Ich könnte es ihm jetzt sagen   – jetzt, bevor ich den Test mache.
    Kamran jonglierte mit zwei Jobs,

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