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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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in einem weißen T-Shirt und Hüftschlaghosen. Alles war aufgemalt, von ihren Brauen und pflaumenfarbenen Lidschatten bis hin zu ihrem Mund, als ob ein makelloses Äußeres wirklich verdecken könnte, dass diese Frau fähig war, jederzeit eine Teufelsbrut auszuspucken.
    Alle waren da, um für die verschiedenen Rollen vorzusprechen, aber Mom hatte ihre Besetzung schon im Kopf. Mrs Hayes spielte die gütige, ältere Dame (Sorry, Mrs Vandermar), Mr Arthur würde den weisen Vater spielen. Und ich war die gute alte Brenda, die weibliche Hauptrolle. Was es umso trauriger machte, dass Essence auftauchte und ihr »Ich möchte Brenda spielen« ins Gesicht geschrieben stand. Noch trauriger aber, dass sie es verdient hätte.
    Essence’ Zimmer war mit Postern von Shows zugepflastert, in denen sie eine Chortussi oder eine Magd oder, wie erst kürzlich, die beste Freundin der Hauptdarstellerin oder deren Mutter gespielt hatte. Delaney hatte recht. Sie war keine Hauptdarstellerin. Sie war pummelig, weinerlich, auf der unteren Skala von hübsch. Genau richtig als Witzfigur. Jemand, der dich bremst , hatte Delaney gesagt.
    Essence blieb nach dem Gottesdienst noch da, um beim Aufbau für das Vorsprechen zu helfen, und ich realisierte, dass ich ein Teil dieses bizarren Dreiecks war: Essence, die um die Aufmerksamkeit meiner Mutter buhlte, und meine Mutter, die um mich buhlte. Hätte Essence doch nur die Tochter meiner Mutter sein können, dann wären wir alle glücklicher.
    »Wie war dein Sommer?«, fragte ich.
    »Gut.«
    Es war wie damals, als wir uns in der zweiten Klasse kennengelernt hatten, an dem Tag, als Xanda zu der Muttertagsmodenschau im gleichen Kleid wie ich und Mom auftauchte, nur dass ihres zerfetzt war und von Biker Boots flankiert wurde. Wir landeten auf der Titelseite der Seattle Times in der Rubrik »Kultur« unter der Überschrift TEEN-MODEPUNK SPRENGT KIRCHENSPENDENAKTION – der Dämon, die Kirchentante und ich.
    Ein neues Mädchen stand da, mit offenem Mund – ungefähr mein Alter, mit Sommersprossen und einer Bräune, die von irgendwo weit weg vom Nordwesten stammte. Sie und ihre Mom trugen lange, knittrige Röcke und bäuerliche Blusen mit Ketten aus Tonperlen. Eindeutig nicht aus Seattle. Das Mädchen sprach mich nach der Modenschau an, total aufgeregt und mit einem übersprudelnden Lächeln. »War das deine Schwester?«
    Ich nickte. Ich konnte es ja selbst kaum glauben. Es dauerte nicht lange und wir waren unzertrennlich. Auch wenn meine Schwester sie nervig fand und sie bei meiner Mom unerwünscht war – Essence’ Familie gehörte zu den militanten Befürwortern des Fair Trade, baute ihr eigenes Biogemüse an und recycelte alles von Plastik bis zu Kleidung. Genau das, was meine Mutter geschmacklos fand. Wenn Essence’ Mom sich zur Gebetsrunde gesellte, dann saß meine Mutter mit Sicherheit auf der ganz anderen Seite. Trotzdem sprach Essence ohne Unterlass für jedes Theaterstück meiner Mutter vor.
    Manches ändert sich anscheinend nie.
    »Liebes«, rief meine Mom von der Bühne, »könntest du was aus dem Drehbuch vorlesen? Ich möchte herausfinden, ob das eine gute Passage für das Vorsprechen wäre.« Das war seltsam, hatte sie doch schon jedes Detail akribisch ausgearbeitet. Mein Vorlesen würde überhaupt nichts mehr zur Sache tun.
    Essence schnellte an die Seite meiner Mutter. »Ich könnte lesen, Mrs Mathison«, sprudelte es aus ihr heraus. »Ihre Arbeit ist unglaublich. Um genau zu sein …«
    Meine Mom warf ihr nur einen kurzen Blick zu. »Ja, gut, Essence. Wie wär’s, wenn du die Rolle des Vaters lesen würdest?«
    »Des Vaters?« Das Lächeln auf Essence’ Gesicht fiel in sich zusammen. »Oh, okay, Mrs Mathison. Aber ich würde lieber die Rolle von …«
    »Mandy, du liest die Rolle von Brenda.«
    Essence sah aus, als wenn sie meine Mutter am liebsten ins Weihwasser tunken würde, um ihr die Bedeutung von christlicher Nächstenliebe näherzubringen. Aber sie nahm das Drehbuch.
    Wir kletterten auf die Bühne und sahen auf die Bänke hinunter. Ich versuchte, nicht an den Abend der Aufführung zu denken. Dann, wenn alle Bänke belegt wären und jedes Wort aus meinem Mund sich wie ein hämmernder Nagel in meiner Kehle anfühlen würde. Ich hatte nie wieder auf dieser Bühne stehen wollen.
    Also lasen wir nun beide vor, während meine Mutter die Kulisse mit Abdeckband markierte. Essence gab einen besseren Vater ab als ich die Brenda. Ich hätte es ihr gesagt, wäre da nicht dieser Blick

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