Erzaehl mir ein Geheimnis
Vorbereitungskursen, Hausaufgaben, Übungstests, verbrachte jede Mittagspause in der Bibliothek – nur um seinen Traum zu verwirklichen, in dem ich vielleicht vorkommen würde, vielleicht aber auch nicht. Wenn ich es ihm sage, was dann?
Wenn ich sie bis zur Kunststunde immer noch nicht habe.
»Ja, ich denke einfach nur über meine Kurse nach und so. Wie ich alles auf die Reihe kriege.«
Es musste einfach alles nur eine Täuschung sein. Jede Sekunde würde mein hormonell durchgeknallter Körper wieder normal werden, und die Gänge würden aufhören, sich zu drehen.
»Alles okay?«, fragte er. Natürlich war er besorgt. Weil wir vor dem Trip zur Hütte und bevor er Delaney kennenlernte, eine tiefe, eine alles umfassende Verbindung hatten. War es möglich, dahin zurückzukehren?
»Wir sollten uns später treffen«, sagte ich. »Ich muss … wir hatten nicht wirklich Gelegenheit, zusammen zu sein, seit …«
»Ach so, ja, deswegen – ich kann mich heute nach der Schule nicht mit dir treffen. Ich muss lernen, um die SATs zu wiederholen und ich wollte versuchen, mich mit diesem MIT-Absolventen zu treffen, der Schüler-Interviews macht …« Er sprach leiser. »Aber du hast recht, wir sollten uns treffen. Wir hatten den ganzen Sommer über keine richtige Gelegenheit zu reden.«
Ich sagte nichts, aber die Enttäuschung stand mir wohl ins Gesicht geschrieben. »Wie wär’s mit Mittagessen? Die Schule hat gerade wieder angefangen – du kannst doch noch keine Hausaufgaben aufhaben?«
»Triffst du dich nicht mit Delaney?«
So war es das ganze letzte Frühjahr gewesen – mein Leben war zweigeteilt: Da war Kamran, den ich näher kennenlernte, und da war die Freundschaft mit Delaney, in die ich immer mehr hineingezogen wurde.
Mit Kamran erlebte ich mein eigenes con leche . Wenn er nicht gerade in einem seiner Jobs arbeitete oder für eine der vielen Aufnahmeprüfungen am MIT büffelte, erkundeten wir Seattle zusammen, unterhielten uns über Zeit und Raum, darüber, wo Wurmlöcher und Labyrinthe kollidieren. Ich erzählte ihm von Xanda, aber niemals, wie sie starb. Das war zu persönlich, zu geheim. Es war dieser Andre , obwohl ich es nicht zugeben wollte. Später, als wir unter dem Rhododendron saßen, konnte ich seine fruchtigen Lippen schmecken und seine würzige Haut spüren.
Mit Delaney wurde ich zu mehr als nur einer Schauspielerin in einem fremden Drehbuch, der guten Tochter, die die Familie zusammenhält. Delaney übernahm die Führung, wie es meine Schwester getan hätte. Sie durchbrach geschlossene Türen, legte Gefühle frei, während Essence immer weiter in meiner Vergangenheit verschwand. Jeder Versuch, die beiden unter einen Hut zu bringen, endete in einem Konflikt – Essence, die alte Freundin, Delaney, die neue, und mein altes und mein neues Ich kämpften miteinander.
In all der Zeit hatten sich Kamran und Delaney nie kennengelernt. Irgendwie war mir klar, sollten sich ihre Wege je kreuzen, würde das meine Zukunft drastisch verändern. Sie trafen sich nie, bis zu dieser Nacht Anfang Juli. Die Ferien hatten begonnen und wir wollten uns alle zu einer Party in Delaneys Hütte treffen. Delaney nervte mich damit, dass ich endlich diesen »heißen Kerl« mitbringen sollte. Und Kamran beschuldigte mich, ich würde ihn ständig ausschließen. Am Ende hatte ich keine andere Wahl als zuzulassen, dass sich die beiden Hälften meines Lebens trafen. In dieser Nacht veränderte sich alles.
Dann, ein paar Tage später, schickten mich meine Eltern für neun Wochen ins Kiddie-Camp, als wäre nie etwas passiert.
Delaney müssen die Ohren geklingelt haben beim Klang ihres Namens – sie kam wie aus dem Nichts auf Kamran und mich zugestürzt.
»Also, wo gehen wir Mittagessen? Broadway? Grillhaus? Bauhaus?« Ein langsames Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Café Shiraz?«
Ich blickte zu Kamran. Hatte er sie zum Restaurant seiner Eltern mitgenommen oder ihr nur davon erzählt?
»Ich kann nicht – muss büffeln.«
»In der Mittagspause?« Sie drehte sich zu mir um. »Hast du ihn da das ganze letzte Jahr versteckt?«
Kamran lachte und zeigte die kleine Lücke zwischen seinen Vorderzähnen. Er sah aus wie das perfekte Unschuldslamm. Menschen wie Delaney und meine Schwester können machen, was sie wollen, alles sagen, und trotzdem würde sie jeder lieben. Menschen wie ich wirken einfach nur so, als litten sie unter Verfolgungswahn.
»Alles klar. Dann bis später«, sagte sie lässig, schlenderte
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