Erzaehl mir ein Geheimnis
verbrachte. »Sie glaubt, ich will ihr Eli ausspannen? Den autoerotischen Eli?«
Ich wurde rot, denn ich erinnerte mich daran, dass ich mir diesen brillanten Spitznamen ausgedacht hatte. »Na ja, du flirtest sehr viel, und Essence denkt vielleicht …« Ich hörte auf zu reden, war irritiert. Es wurde einfacher, Essence die Schuld für alles Mögliche in die Schuhe zu schieben.
Es war der Tag, an dem Delaney mich zum ersten Mal mit ins Haus ihres Bruders genommen hatte.
Delaney steuerte ihr Auto an Verkehrsinseln vorbei und über Hügel, während alle anderen noch in der fünften Stunde schufteten. Sie parkte gegenüber von einem renovierungsbedürftigen Haus, das aussah wie eine letzte Verteidigungsfestung im Krieg gegen Unkraut. Die Verandatür stand offen und auf einem eilig angeklebten Zettel stand: Komme später, brauche Zeug – D.
»Verdammt.« Delaney drehte den Türknauf. Wir fielen ins Wohnzimmer, einer seltsamen Möbelkombination aus Ikea und Sperrmüll. Wir setzten uns ans Fenster, um nach Dylan Ausschau zu halten.
»Komm schon, Rand. Ist doch nicht meine Schuld, wenn Eli mich heiß findet. Es ist ja nicht so, als ob ich etwas tun würde, damit er mich beachtet – machst du Witze? Und ich will nicht gehässig sein, aber wenn du mich und Essence mal vergleichst … hallo …?«
»Ich weiß.« Ich ruderte zurück. Wie sehr sie damit Essence beleidigte, bekam ich gar nicht wirklich mit. »Du hast ja recht. Es ist nur … er ist ihr erster Freund.«
»Das ist doch nicht mein Problem«, stellte Delaney kaltschnäuzig fest, während ihr Interesse am Fenster nachließ und sie sich lieber einer ihrer Haarsträhnen auf der Suche nach Spliss widmete. »Ich weiß sowieso nicht, warum du dich mit ihr abgibst. Ihr ständiges Gewinsel färbt langsam auf dich ab.«
»Wir haben eine Vergangenheit«, rechtfertigte ich mich. Ich hatte ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt – Essence war mit meiner Familie verflochten wie eine zweite Schwester, und nun wurde ihre Existenz Faden für Faden aus meinem Leben gezogen, seit ich Delaney kennengelernt hatte.
Sie fand ein splissiges Haar und riss es aus, als ob dessen Mangelhaftigkeit eine persönliche Beleidigung wäre. »Komm schon, Rand, die Leute fangen an, dich zu bemerken. Jungs bemerken dich.«
Ich wurde rot. »Ehrlich?«
Ich musste an meine Schwester denken, die in einer Weise Aufmerksamkeit geradezu eingefordert hatte, wie ich es nie könnte. Genauso wie Delaney. Ihr Lächeln machte mir Mut.
»Ja, wirklich! Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
»Na ja …«
Die Wahrheit ist, es war mir natürlich aufgefallen. Partys und Klubs, alles Sachen, die mir verschlossen geblieben waren, solange ich noch mit Essence unterwegs war.
»Essence ist genau das, was du gesagt hast: deine Vergangenheit«, sagte sie sanft. »Vielleicht ist es an der Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, was die Zukunft bereithält. Davon mal abgesehen«, ergänzte sie leichthin, »bin ich es leid, dich zu teilen.«
Essence und ich waren ohnehin nicht mehr wirklich Freundinnen. Unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Freunde. Sie war nur noch mit Eli beschäftigt und driftete immer weiter in diese Theaterclique ab, und bei mir drehte sich alles nur noch um Kamran. Wahrscheinlich würde sie mich nicht einmal vermissen, und wenn doch – wir waren immer noch im selben Chemiekurs, und ich würde sie nach wie vor in der Kirche sehen und bei Moms Theaterstücken. Diese Logik vergrößerte noch die Welle des Glücks, dass ich von Delaney auserwählt worden war.
Und obwohl sie es nicht direkt aussprach, stellte mir Delaney ein Ultimatum: Essence oder sie.
Dann sprang Delaney auf. »Boah, es macht mich krank, ständig über Essence zu reden, lass uns ein Bier holen.«
Ich lief ihr hinterher zum Kühlschrank, an dem lauter Mietquittungen, lustige Magnete und winzige Gedichtzeilen hingen.
Und plötzlich sah ich es.
Das Foto.
Xanda.
Ein Bild meiner Schwester, mit Andre und einem Typen, der Dylan sein musste, Delaneys Bruder. Sie lachten vollkommen übertrieben mit offenen Mündern und fläzten sich schräg auf das Sofa, auf dem ich eben noch gesessen hatte.
Xanda sah auf diesem Foto so lebendig aus, wie damals, an dem Tag, als sie durch die Tür verschwand. Schwere Augenlider ganz wie meine und so alt wie ich jetzt. Das hätte ich sein können auf dem Bild. Und, seltsamerweise, hätte Andre Kamran sein können.
Und plötzlich fiel es mir
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