Erzaehl mir ein Geheimnis
sieht auch aus wie sie«, flüsterte sie lachend. Wir kicherten zusammen über die Gegensätze, die unsere Mutter in sich vereinte, Stolz und Neid, den Berg und das Tal.
***
»Nun ja, ich denke, das wäre geschafft«, sagte meine Mutter, als sie auf mich zukam. Alle standen bereits in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Essence sammelte derweil die leeren Becher und die übrig gebliebenen Drehbücher ein. Ihre Gedanken waren ihr ins Gesicht geschrieben: Vielleicht bekomme ich diesmal die Rolle .
Mom blickte über die Schulter auf mein Skizzenbuch und sah die Zeichnung von Jesus, die sich wie ein Spinnennetz über das Blatt erstreckte. Ich hatte ihm Buntglasschuppen und einen ausschweifend langen Schwanz verpasst.
»Ich werde wohl nie verstehen, wie du die Dinge siehst, Mandy«, seufzte sie. »Du nimmst etwas Schönes und verwandelst es in etwas Abscheuliches.«
»Es ist nur eine Zeichnung, Mom«, entgegnete ich und klappte den Block zu. »So, wie waren die Proben?«
»Sagen wir mal so, ich habe gesehen, was ich sehen wollte.« Sie lächelte und klopfte mir auf die Schulter. »Ich werde meine Entscheidung nächsten Sonntag bekannt geben. Das wird fabelhaft!«
Für einen kurzen Augenblick sah ich es vor meinem geistigen Auge – Brenda die Böse: das Haar streng zurückgekämmt, ihren Bauch streichelnd, einen Monolog über Erlösung sprechend. Nicht die Brenda, die sich meine Mutter vorstellte.
Bevor ich diese heilige Stätte verließ, machte ich noch schnell mit dem Handy ein Foto von dem Buntglas-Jesus. Ich wollte meine Zeichnung später noch verfeinern.
7
»Mi-ran-da, wo hängt’s?«
Am nächsten Wochenende kamen Delaney und Chloe zu mir. Wir waren in meinem Zimmer und wollten uns für Milos erste Party des Jahres zurechtmachen. Aber selbst eine Intensivtour durch meinen Kleiderschrank förderte nichts Passendes zutage, nur verwaschene T-Shirts und ein paar Röcke, von denen ich wusste, dass sie definitiv zu eng waren.
»Was um Himmels willen hat dich geritten, so was jemals anzuziehen?«, fragte mich Delaney und musterte meine Yogahosen und das T-Shirt mit vernichtendem Blick. Ich fragte mich, ob Delaney in der Lage war, mich so zu durchschauen, wie Xanda es immer gekonnt hatte.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich sagte ihr nicht, dass meine normalen Klamotten plötzlich irgendwie wehtaten und ich sie mir am liebsten vom Leib gerissen hätte, um den Druck loszuwerden. Schlabberpullis und weite Jeans, das war meine neue Uniform.
»Wie auch immer«, sagte Delaney. »Ich weiß jedenfalls, dass du ein paar tolle Klamotten hast … «
»Die aber wohl irgendwie ihren Weg in deinen Schrank gefunden haben«, ergänzte ich.
Chloe kicherte und hielt ein ausrangiertes Shirtkleid hoch. Delaney ließ die Wimperntusche in ihre Tasche fallen und rollte mit den Augen. »Geh mal weg da.«
Während sie in meinem Schrank herumwühlte, machte ich mich wieder über meine Schüssel mit Käsebällchen her. Ich konnte momentan nicht genug davon kriegen, zumal jetzt, da sich meine Übelkeit in einen unbarmherzigen, fürchterlichen Hunger verwandelt hatte.
»Hast du nicht irgendwo einen roten BH? Ich könnte schwören … aha! Da ist er.« Ein weit ausgeschnittenes rotes Top und der BH flogen mir entgegen und landeten auf dem Boden.
»Warte. Eine. Sekunde. O. Mein. Gott!« Dann war da das Geräusch, das sich anhörte wie eine Million Centstücke, die aneinanderklirrten. Die Venen in meinem Hals zogen sich zusammen. »Das musst du mich anziehen lassen!«
Ich wusste, was sie gefunden hatte, noch bevor sie aus der Tiefe des Schranks wieder hervorkroch. Es war das Klirren und Klimpern von Metall auf Metall, es klang genauso deutlich wie beim ersten Mal, als ich es getragen hatte. Chloe setzte sich interessiert auf.
»Das ist der Hammer!« Delaney hielt triumphierend das Kleid aus Sicherheitsnadeln hoch. »Wo hast du das her? Hast du es selbst gemacht ?«
»Leg es zurück.«
»Oh bitte, du kannst das doch nicht einfach verstecken!«
»Leg es zurück!« Sobald ich diese Worte ausgesprochen hatte, wollte ich sie zurücknehmen. Chloe sah erschrocken aus.
»Natürlich. Die Schwester . Ich hätte es wissen müssen.« Delaney gab mir das Kleid und ließ die Nadeln durch ihre Finger gleiten. »Du solltest es trotzdem irgendwann mal anziehen. Es würde hammermäßig aussehen.«
Dann hatten wir endlich unsere Outfits – ich einen karierten Rock und Lackstiefel, eine Lolita für das neue Jahrtausend. Xanda wäre
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