Erzaehl mir ein Geheimnis
stolz gewesen, aber das konnte ich hier niemandem sagen. Nicht nachdem Delaney letzten Frühling vor allen anderen zu mir gesagt hatte: »Du redest andauernd nur über deine tote Schwester. Das ist echt gruselig.«
Ich betrachtete mich im Spiegel und bewunderte meine neuen körperlichen Reize. Busen, sogar Hüften. Mehr und mehr sah ich aus wie meine Schwester. Meine schlanke Taille allerdings gehörte wohl der Vergangenheit an. Es würde wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis Delaney mich liebevoll darauf hinwies, die Finger von den Käsebällchen zu lassen.
Ich wollte es ihnen sagen. Es brachte mich fast um. Chloe wäre die Schulter zum Ausweinen und Delaney – Delaney wüsste, was zu tun ist.
»Wartet, ich muss euch was erzählen.« Chloe sah mich mit ihren runden braunen Augen an, und Delaney blickte auf, bevor sie vorsichtig eine neue Schicht Eyeliner auftrug.
»Was?«
Aber die entscheidenden Worte auszusprechen, hätte alles viel zu real gemacht. Ich war noch nicht so weit. Stattdessen zeigte ich auf meine Uhr. »Es ist schon neun. Wir müssen los!«
Am Ende einer langen Straße, die von heruntergekommenen Häusern gesäumt war, stand das alte Häuschen, das Milo sich mit seinem Bruder teilte. Das Haus war schon Schauplatz manch einer Elna-Mead-Party gewesen. Delaney und ich hatten im letzten Frühling oft hier gefeiert – sie und Milo hatten sich schnell angefreundet, nachdem sie von der View Ridge geflogen war. Die Vorhänge des Hauses waren einfache Papierbahnen – Junggesellen-Deko vom Feinsten. Sogar die Wände und der zottelige braune Teppich waren durchdrungen vom Geruch zu vieler Partys. Meine Mutter wäre entsetzt.
Das Haus war vollgestopft mit all den Leuten, die ich nur zu gut kannte, alle unter achtzehn, aneinandergequetscht wie Zigaretten in der Schachtel standen sie da und wippten zum Rhythmus der Musik, die aus einer gigantischen Stereoanlage kam. Als ich mich im Raum umsah, der von einer roten Lampe in der Ecke erhellt wurde, verzerrten sich die Gesichter der anderen zu groteskem Gelächter und Begrüßungsschreien. Irgendwie schienen alle froh, uns zu sehen – die mit den Beinen, die mit den Kurven und die eine, die die ganze Elna Mead lahmlegen könnte. Ich holte das »Party-Girl« raus, persönlich geformt nach den Vorbildern Delaney und Xanda. Ich lächelte in die Gesichter um mich herum, rief diesem und jenem was zu und kicherte. Mein wahres Ich schwebte irgendwo im Raum.
»Hey, hey, hey, wen haben wir denn da?«, rief Milo, einen Becher zum Gruß hochhaltend, von dem er gleich mal die Hälfte auf den Teppich verschüttete. Er bemerkte die Flaschen, die wir mitgebracht hatten. »Noch besser – das Fass steht hinten.«
» Salut! Comment ça va? «, begrüßte Delaney eine Gruppe Ultrathins rauchender und Alkopops schlürfender Franzosen. Die hatten bereits eine Couch beschlagnahmt, deren rechte Lehne es schon vor langer Zeit aufgegeben hatte, mit der linken auf einer Ebene zu bleiben.
»Hier«, sagte sie und gab mir eine Flasche Gin.
»Kannst du das mal für mich halten?« Auch Chloe drückte mir ihre Flasche in die Hand, dann bahnten sich die beiden ihren Weg zu der Couch, um mit den Franzosen zu voulez-vousen .
Der Barkeeper stand mit dem Rücken zu mir und mixte billigen Wodka mit Orangensaft. Aber ich erkannte die Silhouette. Ich konnte mich sogar noch an das weiße Shirt erinnern, das sie nie tragen wollte, weil sie dachte, es wäre zu durchsichtig.
»Relax, ich bin gleich da.« Die Stimme knirschte wie Styropor.
Keine Ahnung, wie Essence auf dieser Party gelandet war – aber sie hatte ja auch letztes Jahr ihren Weg zu Delaneys Hütte gefunden. Zumindest würde Delaney diesmal nicht denken, dass ich sie eingeladen hätte.
Ich setzte die Flaschen dumpf auf der Theke ab. »Hier.«
Essence drehte sich um, sie hielt einen frischen Drink mit einem Zweig Minze in der Hand.
»Nein danke«, sagte ich. »Nur Saft.«
»Oh, du bist es. Hol’s dir selbst.«
»Wie du meinst«, sagte Delaney hinter mir. Die beiden gifteten sich kurz an. Dann lachte Delaney, als sei Essence’ Trotz eine Reaktion gar nicht wert.
»Sorry«, murmelte Essence und goss mir ein Glas Orangensaft ein.
Diese Art von Macht kann man sich nicht zu eigen machen. Essence, Gott helfe ihr, hatte es gewagt, sich mit mit Delaney anzulegen.
***
»Du verarschst mich«, hatte Delaney lachend gesagt. Es war im letzten Frühling, als ich immer mehr Zeit mit Delaney und immer weniger mit Essence
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