Erzaehl mir ein Geheimnis
Picknicktische waren übersät mit Vogelkacke. Das Restaurant auf dem Hafenkai hatte geöffnet, aber ich hatte mein Geld zu Hause gelassen. Sie hatte mir nicht mal mehr gesagt, warum ich keinen Thunfisch essen durfte.
Ich schritt den Parkweg entlang, zusammen mit ein paar Joggern, die der schweren Luft trotzten, die nach Regen roch. Sie hatten nicht den leisesten Schimmer, dass sie durch den schlimmsten Tag meines Lebens liefen.
Stundenlang marschierte ich auf dem Weg im Kreis durch den Park – zumindest fühlte es sich so an –, bis die Kälte, die Dunkelheit und eine unersättliche Gier nach Toastbrot mich nach Hause trieben. Mein Vater könnte auch schon zu Hause sein, aber ich wusste, es war überflüssig, mir von ihm Rettung zu erhoffen.
Meine Mutter hatte ihm mit Sicherheit schon alle hässlichen Einzelheiten erzählt. Sie hatte ihn auf der Hanson-Baustelle oder der Travertoli oder wo auch immer angerufen. Er hatte ihr zugehört und dann gesagt, dass er noch ein paar Stunden weiterarbeiten müsste. Und diesmal würde er auf keinen Fall die Schuld auf sich nehmen. Er kannte Kamran ja nicht einmal.
Das Haus sah verlassen aus, bis auf einen schwachen Lichtschimmer war es dunkel. Dads Pick-up stand in der Einfahrt. Ich dachte, eigentlich ist das ein gutes Zeichen. Zumindest würden sie miteinander reden. Mein Vergehen könnte groß genug sein, um sie endlich auf einen Nenner zu bringen.
Ich schlich mich rein, in der Hoffnung, mein Zimmer unbemerkt zu erreichen. Vielleicht lagen irgendwo noch Süßigkeiten von Ostern rum oder ein paar Marshmellows vom Camp. Oder eine Nudelkette aus der zweiten Klasse.
Aus dem Esszimmer kam ein Lichtschimmer, ich hörte das Klirren von Gabeln auf Tellern und ein Glas, das auf dem Kirschholztisch abgestellt wurde. Die murmelnde Stimme meines Dads. Ich hatte ihn kaum gesehen, seit ich aus dem Camp zurück war. Ich hatte diesen Moschusgeruch vergessen, der ihn umgab, wenn er von seinen Baustellen nach Hause kam. Die Art und Weise, wie sich der Staub in seinem Haar festsetzte, die Risse in seinen Händen, den Stoff seines Hemdes.
Meine Mom unterbrach ihn mit dringlicher, hoher Stimme. Ich hörte meinen Namen.
Sie unterhielten sich nicht. Sie beteten.
Mein Magen erinnerte mich an den mir drohenden Hungertod. Nach einem letzten Amen betrat ich die Küche und setzte mich an den Tisch, wo ein Teller für mich bereitstand. Erbsen, Hühnchen, Reis. Kein Toast. Ich neigte aus Anstand kurz den Kopf, obwohl mein Gebet eher von der Hilf-mir-Variante war.
»Sehr nett von dir, uns Gesellschaft zu leisten, Mandy«, sagte Mom.
Ich hatte mich auf Gebrüll eingestellt, bei Xanda wäre wohl genau das passiert. Ich linste hinüber zu meinem Dad, auf irgendeine Art von Unterstützung hoffend. Aber er war zu sehr damit beschäftigt, seine Erbsen zu zählen.
»Mom«, fing ich an, aber sie unterbrach mich.
»Die einzige Lösung ist, es zur Adoption freizugeben.« Ich hatte halbwegs erwartet, sie würde mir mit Abtreibung kommen, daran gedacht hatte ich ja auch schon. Nur jetzt nicht mehr, weil alle es wussten. Manchmal war es schwer, ihre wahre Religion zu erkennen – die, in der Gott vorkam, oder die, in der alle gut dastanden.
»Adoption«, wiederholte ich und zog diese Idee zum ersten Mal in Betracht. Aber es gehört mir. Die Entscheidung liegt bei mir. Sie wollte alles verheimlichen und mein Dad wollte nichts weiter, als Konflikte vermeiden. Und was wollte ich?
»Und ab morgen wirst du dich von diesem Jungen fernhalten.« Dieser Junge . Genau wie Andre. Und doch nicht so, wie ich gehofft hatte. »Ab morgen gehst du nur noch zur Schule, in die Kirche und nach Hause.«
»Aber Mom, was ist mit meiner Bewerbung?« Es gab noch sechs leere Hüllen in meiner Kunstmappe. Ohne diese Arbeiten konnte ich mich von der Baird verabschieden.
»Du kannst zu Hause zeichnen. Und wenn wir schon darüber reden müssen, wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob du überhaupt Kunst studieren wirst.«
Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, sagte aber nichts.
»Was deine Freunde betrifft, du gehst nirgendwohin. Und Kamran …«
Sie fuhr fort mit ihrer Tirade über das, was ich in Zukunft tun und nicht tun dürfte. Ein Bild von Xandas übervollem Koffer, der im Kofferraum von Andres Impala gefunden worden war, kam mir in den Sinn. Das Kleid aus Sicherheitsnadeln war rausgefallen und lag ausgebreitet da; es sah aus wie ein Stück Maschendrahtzaun aus Metall.
Mein Dad schlang sein Essen hinunter,
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