Erzaehl mir ein Geheimnis
Kurve, kurz davor, in eine zugedeckte Grube zu fallen. »Warum fragen Sie mich das alles? Was meinen Sie damit, ob ich die Eltern kennenlernen möchte?«
Die Teile hämmerten in meinen Kopf und setzten sich zusammen wie ein Puzzle aus Glasscherben. Die einzige Lösung ist, es zur Adoption freizugeben.
Ich konnte nicht glauben, dass meine Mutter das getan hatte. Ich hasste sie. Ich wünschte, ich könnte sie umbringen. Und mehr als alles andere wünschte ich mir Xandas Hilfe. Sie hatte mich zurückgelassen und jetzt musste ich alleine meinen Weg aus der Dunkelheit finden.
Das eifrige Getue von Miss Wrent kam zum Stillstand. »Entschuldigung, Mrs Mathison. Sie haben mir gesagt, dass Ihre Tochter dieses Baby zur Adoption freigeben will.«
Adoption . Ich konnte den Weg bildlich vor mir sehen. Ich konnte nicht zurück, jetzt, da alle es wussten. Es würde keine Kunst mehr geben, kein Entrinnen, wenn ich diese Schwelle überschritt und das Angebot annahm. Meine Eltern würden die Ketten so eng schnüren, dass ich nicht mehr atmen könnte. Wie sie es mit Xanda gemacht hatten. Der einzige Fluchtweg wäre der Tod.
Und wenn ich Nein sagen würde? Ich könnte meinen Koffer packen, die Flucht planen und vielleicht, ganz vielleicht, würde Kamran mitkommen. Wenn ich Nein sagte, gab es eine Chance, dass sich alles ändern würde.
»Ich behalte es!«, schrie ich so laut, dass die Teetassen bedenklich wackelten. »Du kannst mich nicht zwingen. Das werde ich niemals tun!«
Miss Wrent hat mir keine Empfehlung für einen Arzt dagelassen.
13
Bevor sie ihre Tage und Nächte nur noch mit Andre verbrachte, kletterten Xanda und ich oft aus dem Badezimmerfenster auf das Seitendach unter dem Schlafzimmerfenster unserer Eltern. Xanda rauchte, während ich eine von Moms Diätlimonaden trank, die ich stibitzt hatte. Ihre Füße baumelten über dem Rand und sie schnippte die Asche in den darunterliegenden Garten. Ich saß so nah am Haus wie möglich, hatte immer Angst davor, runterzufallen. Und so lauschten wir den neuesten Strategien meiner Eltern, wie sie versuchen wollten, Xandas Leben unter Kontrolle zu bringen.
Jetzt aber gab ich mich mit dem Nächstbesten zufrieden: Ich versteckte mich im Bad und öffnete das Fenster einen Spaltbreit.
Sie stritten sich. Genau genommen schrie meine Mutter, und mein Dad hörte zu. Ihre Stimmen waren wie Presslufthämmer – mein Name, wieder und immer wieder. Mandy … Mandy … Mandy .
Sie stritten sich über mich. Um genau zu sein darüber, was sie mit mir machen sollten. Die Möglichkeiten waren begrenzt.
»Wir könnten sie zu meinen Eltern schicken«, hörte ich Dad sagen.
»Oh nein, das werden wir nicht!« Meine Mutter schäumte, als ob er vorgeschlagen hätte, mich an den Pranger zu stellen. »Du willst, dass sie sich mit deiner Schwester abgibt? Der Frau, die keinen Job behält und immer noch mit deinen Eltern in einem Wohnwagen lebt?« Ich wusste, was jetzt kommen würde: Ich musste Dad nicht sehen, um zu wissen, dass er zusammenzuckte.
»Nun ja, wenn dir meine Eltern nicht passen, wie wär’s dann mit deinen? Sie könnten …«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, entgegnete sie. »Ich kann doch kein schwangeres Mädchen zu meinen Eltern schicken.« Sie schämte sich gleichermaßen, mich zu ihrer Oberschichtfamilie zu schicken wie in die Unterschichtfamilie meines Dads.
»Auch gut«, sagte Dad.
»Es gibt nur eins, das wir tun können. Wir stehen es durch, lassen sie das Schuljahr beenden und wenn alles vorbei ist, können wir vielleicht umziehen.«
Umziehen? Wir sind nicht mal wegen Xanda umgezogen, aber meinetwegen würden sie umziehen?
»Hillary, wir ziehen nicht um.«
Aber Mom hörte nicht zu. »Wenn das hier alles vorbei ist, könnten wir zurück nach Connecticut ziehen oder wir könnten nach New Jersey gehen …«
»Hillary.«
»… Niemand dort würde etwas davon wissen und wir könnten sie wegschicken, nach …«
»Hillary!«
Stille. Dann: »Was? Willst du sie unser Leben hier ruinieren lassen? Alles ruinieren lassen, wofür wir gearbeitet haben?«
Wofür du gearbeitet hast , wollte ich von ihm hören. Der Status, das Geld, das Haus auf dem Hügel. Es ging nur um sie, zur Hölle mit dem Rest von uns.
Aber er sagte nichts. Meine Mutter gab ein angewidertes Stöhnen von sich. »Ich werde nicht zulassen, dass du wieder alles ruinierst. Dieses Mal nicht .« Ich dachte, sie wäre fertig. Doch dann, mit wesentlich dünnerer Stimme, ergänzte sie: »Ich habe alles
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