Erzaehl mir ein Geheimnis
Fenster auf dem Bildschirm und begann, die ganze Geschichte aufzuschreiben – Xanda, Kamran, Delaney. Ich wollte es gerade abschicken, als ich ein vertrautes Kichern hörte.
»Das war ja mal krass, wie du sie abserviert hast«, sagte die Stimme. Es war Delaney. »Sie tut mir fast ein bisschen leid.«
»Ich wollte eigentlich nicht fies sein.« Das war Kamran. Ich hätte wissen müssen, dass er hier sein würde, weil er ja für die letzten Übungstests, Aufnahmeprüfungen und Interviews büffelte. Aber Delaney hatte ich nicht erwartet.
»Du hättest sie hören sollen, wie sie überall erzählte, dass ihr gleich nach der Schule heiraten würdet. Überleg mal, vielleicht ist es gar nicht dein Baby. Hast du es denn wirklich mit ihr gemacht?«
Kamran sagte kein Wort.
»Oh nein, das hast du nicht … Letzten Sommer? In meiner Hütte ?«
Stille. Ich konnte mir vorstellen, wie er ernsthaft nickte, vielleicht hatte er sogar seinen Kopf in die Hände gestützt.
»Aber es gab doch noch andere, oder? Ich meine, wollte sie dich einfach nur reinlegen? Ich hätte es wohl getan, wenn ich so eine Familie hätte. Hast du die jemals kennengelernt?«
Dann sprach Kamran. »Sie muss mal mit ihrem ganzen Kram fertigwerden. Das habe ich ihr immer gesagt.«
Ist es das, was er dachte? Über alles, was ich ihm von Xanda erzählt hatte? Kram, mit dem ich fertigwerden musste?
»Ich weiß genau, was du meinst«, stimmte ihm Delaney zu. »Die meiste Zeit hat sie nur von ihrer toten Schwester geredet.«
Einer der beiden biss in etwas hinein und ein schwacher Duft nach Granatäpfeln breitete sich aus, über die Bücherregale hinweg. »Sie hat viel durchgemacht«, sagte Kamran.
»Mag sein, aber sie hat versucht, uns alle mit sich runterzuziehen. Ich schwör dir, sie hat immer versucht, mich nachzumachen. Ich wollte eine Freundin, keine Doppelgängerin.«
Grenzenlose Wut machte sich in mir breit. Mochte sie deshalb Chloe? Wohl nicht.
»Ich hätte es ihr Anfang des Sommers schon sagen sollen. Das war dumm von mir. Ich hätte es gar nicht erst so weit kommen lassen dürfen und jetzt …«
»Du bist nicht dumm. Du bist ein netter Kerl. Nette Kerle machen das Richtige.«
Kichern und das Geräusch eines weggeschobenen Stuhls.
»Also, wie denkst du, sieht deine Zukunft aus, netter Kerl?«
Ich starrte noch immer auf den langen Brief der Wahrheit, den ich an die BabyCenter-Mädels geschrieben hatte, ich musste nur noch auf Senden klicken. Solange ich das nicht machte, konnte ich weiterhin so tun, als ob das alles hier nicht passierte – wenigstens vor ihnen.
Ich loggte mich aus und schlich leise aus der Bibliothek.
Beinahe wäre ich mit ein paar Leuten von der Theater-AG zusammengestoßen, aber Essence war nicht dabei. Ich senkte den Kopf und lief in die andere Richtung.
Es war relativ leicht, eine Begegnung mit Essence zu vermeiden – wir hatten unsere Stundenpläne nicht zusammen geplant, wie all die Jahre zuvor. Aber sonntags war es unmöglich, ihr aus dem Weg zu gehen.
Auf der Fahrt zur Kirche sprach Mom kein Wort mit mir und Dad. Sie hatte generell noch nicht viel geredet seit Miss Wrents überstürztem Abgang. Stattdessen verbrachte sie jeden wachen Moment an ihrem Laptop – ein neues Drehbuch oder eine Gedenkschrift mit dem Titel »Demütigung: Eine Chronik des Mutterseins«. Ich wollte immer wie Xanda sein. Jetzt war ich es. Ich hatte nur nicht geahnt, dass es mit so vielen Schuldgefühlen verbunden sein würde.
»Also, an was arbeitest du gerade?«, fragte ich Mom.
Dad warf ihr einen kurzen Blick zu. Meine Mutter starrte stur geradeaus und fuhr mit ungewohnt hoher Geschwindigkeit weiter Richtung Kirche. »Ich habe eine paar Änderungen am Skript vorgenommen.«
Ich konnte es schon vor mir sehen – wenn ich im richtigen Leben nicht genug bereute, dann würde sie dafür sorgen, dass ich es auf der Bühne tat. Keine Buße in diesem Leben würde das je wiedergutmachen.
»Was hast du geändert?«
»Das wirst du dann sehen.«
Dann widmete sie sich wieder meinem Dad und der Bühnendekoration oder der Frage: Wie baut man das perfekte Ersatzuniversum.
Wir trafen auf eine Gruppe Theater-Groupies, die sofort aufhörten zu flüstern, als wir in ihre Nähe kamen. Ich musste die Kiste mit den neuen Manuskripten schleppen. Mr Warren (alias »netter alter Mann«) kam mir zu Hilfe und sagte: »Du solltest das nicht tragen.« Meine Mutter zeigte keine Regung.
Essence war auch bei den Groupies. Ich hätte wetten können, dass sie
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