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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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das alles so richtig auskostete. Falls die anderen hier sein sollten, um ein Gemetzel zu sehen, kannten sie meine Mutter schlecht. Sie betrat die Bühne mit ihrer üblichen, beneidenswerten Selbstbeherrschung.
    »Also«, begann sie, während sie die neuen Drehbücher verteilte. »Es gibt ein paar grundsätzliche Änderungen im Stück. Ich hänge heute eine neue Besetzungsliste aus. Essence?«
    »Ja, Mrs Mathison?«
    »Du übernimmst die Rolle der Brenda.«
    Essence lächelte. Die beiden hatten sich wirklich verdient. »Aber gerne! Ich kenne Brendas Text schon auswendig! Ich werde Brenda sein . Brenda und ich werden eins. Bedeutet das, dass Miranda meine Rolle übernimmt?«
    »Nein …«
    Gott, ich danke dir .
    »… Claire übernimmt deine Rolle.« Claire, eine Vierzehnjährige mit permanentem Grinsen im Gesicht, quietschte vor Freude. »Mandy arbeitet an dem Bühnenbild mit ihrem Dad.«
    Essence kicherte höhnisch, während sie das Skript überflog.
    Das war’s. Ich war wieder zum Kulissenmaler degradiert, einem Job, den ich mein halbes Leben gemacht hatte und den ich irgendwie sogar mochte.
    Es war das erste Mal seit Xandas Tod, dass ich meine eigene Rolle in einem Stück gehabt hätte. Es war auch das erste Mal, egal wie kurz, dass ich die Tochter war, von der Mom Notiz genommen hatte.

15
    Nach Miss Wrents Besuch dachte ich, meine Mom würde sich zur Kämpferin für meine medizinische Versorgung aufschwingen, aber sie sagte nur: »Wenn du erwachsen genug warst, dich in diese Lage zu bringen, dann bist du auch erwachsen genug, um die Konsequenzen zu tragen.«
    Einen Arzt zu finden war nicht schwer. Nur eine kurze Suche im Internet und ein Anruf. Beinahe hätte ich es Kamran erzählt, als ich im Englischunterricht seinen Nacken anstarrte, wie ich es schon Tausende Male auf seinem Motorrad getan hatte. Aber ich konnte nicht. Er sah mich nur kurz an. Immer noch wütend. Verängstigt. Vielleicht auch traurig. Dann war er weg.
    Im Krankenhaus gaben sie mir ein paar Unterlagen zum Ausfüllen, und ich gab ihnen meine Versicherungskarte. Die Krankenschwester an der Rezeption war entsetzt, als sie das Datum meiner letzten Periode sah.
    »Juni? Und heute ist deine erste Untersuchung?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »Oh, Süße. Ich werd versuchen, dich heute noch für einen Ultraschall dazwischenzuschieben. Dann sehen wir, wie weit du bist.« Sie gab mir eine Flasche Wasser. »Trink das.«
    Die Ärztin für Geburtshilfe und Gynäkologie entpuppte sich als langhaariger Hippie und ihr Pulli war mit gestickten rosa Herzen übersät. Sie hatte ein nettes Gesicht mit hellen blauen Augen. Zuerst stellte sie mir einen Haufen Fragen zur medizinischen Vorgeschichte meiner Familie, dann zu meiner Schwangerschaft. Ich weiß nicht warum, aber ich musste mit den Tränen kämpfen. Alles, von dem Moment an, als ich es herausfand, bis zum Hier und Jetzt, sprudelte in diesem kleinen Krankenhauszimmer einfach so aus mir heraus.
    Sie fragte mich nach meiner letzten Periode. Ich wusste nur noch, dass es so ziemlich am Ende des letzten Schuljahres gewesen war, aber nicht, an welchem Tag.
    Ich erinnerte mich jedoch noch genau an den Tag, an dem das Baby entstanden war. An jedes Detail. Wie Kamran im Schein des Lagerfeuers aussah. Die Art, wie Delaney lachte und dann eine dramatische Pause einlegte, um zu checken, wer sie beobachtete.
    Vielleicht wären wir noch zusammen, wenn es diese Nacht nie gegeben hätte.
    ***
    Zum Wochenende um den vierten Juli fuhren zwanzig von uns raus zur Hütte von Delaneys Dad. Ich, Kamran, Delaney, Milo, ein paar Skater, ein paar Zwölftklässler, Chloe aus dem Französischkurs, ein paar aus dem Dunstkreis der Beliebten und ein unwillkommener Gast, der irgendwie von der Party erfahren hatte: Essence.
    »Hast du sie eingeladen?«, knurrte Delaney.
    » Nein , natürlich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie sie es rausgefunden hat.«
    Mir war schon klar, dass es mit Vernunft nichts zu tun hatte, einfach Essence die Schuld zu geben. Aber die Schuldzuweisung war so laut, dass sie die weitaus leisere, beharrlichere Stimme der Schamübertönte.
    Erst nahmen wir die Fähre über Puget Sound, dann führte uns Delaney den Pfad hoch zur Hütte ihres Dads, etwa eine Meile vom Hafen entfernt. Als die Sonne auf der anderen Seite der Insel unterging, kamen wir am Strand an. Die Jungs schnappten sich den Grillanzünder und schütteten ihn ins Feuer, während ich ganz in der Rolle als Delaneys Zwilling aufging und rief: »Milo und Ty, holt

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