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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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Richtung meiner Hüfte und der tiefe Ton meines Herzschlags wurde schwächer. Ein anderes Geräusch, eines mit höherer Tonlage, legte sich darüber, ein kleineres, schnelleres blip blip blip, unterlegt von dem tieferen Schlag im Hintergrund. »Das ist das Baby. Das Herz hört sich gut und stark an.«
    »Und schnell!« Ich strengte mich an, mir das Geräusch einzuprägen. Auf dem digitalen Bildschirm war zu lesen: 150 Schläge pro Minute, dann 156, dann 148.
    Die Ärztin lächelte. »Hallo Baby!«, sagte sie zu meinem Bauch und zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass es mich hören konnte. »Wir können es kaum erwarten, dich kennenzulernen.«
    Der Gedanke trieb mir Tränen in die Augen. Tränen des Glücks – und der totalen Panik.

16
    Nach Ty Belkins Moment der Wahrheit entstand ein heilloses Durcheinander aus Fragen und Antworten, bis Delaney mich fröhlich schubste und meinte: »Hey, Rand, duuuuu bist mal abserviert worden, stimmt’s? Trink!«
    Hä? Redete sie über die Mittelstufe? Wussten die was, was ich nicht wusste? Kamran zog eine Augenbraue hoch.
    Essence sah mich von der anderen Seite des Kreises aus an. Das Bild ihres inzwischen ehemaligen siamesischen Zwillings Eli (sie waren an den Zungen zusammengewachsen gewesen) ging mir durch den Kopf: Theaterfreak, Besserwisser, dessen einziges Zugeständnis an die Mode schlecht sitzende Khakihosen und ein Rugby-Trikot waren, das schon völlig ausgeblichen war von den vielen Versuchen, seinen stechenden Körpergeruch auszuwaschen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Essence es nie bemerkt hatte. Aber wahrscheinlich kann man vieles verzeihen, wenn man für einen anderen der Mittelpunkt des Universums ist. Als ob Delaney ihn je hätte ausspannen wollen.
    Das Spiel machte die Runde, alle gaben clever ihr Ich hab noch nie zum Besten. Ich starrte Essence an und mir kam die Galle hoch. Sie hatte noch nicht ein Mal getrunken – obwohl sie es hätte sollen, dass wusste ich.
    Schließlich war sie an der Reihe. Sie hob den Kopf und ihre Augen suchten den Kreis ab. Für einen Moment sah sie mich an, als wollte sie mir etwas mitteilen. Bedauern. Oder Mitgefühl. Dann guckte sie Delaney direkt an. Wie ein Weltuntergangsprophet sagte sie: »Ich hab noch nie versucht, einer anderen den Freund auszuspannen.«
    Die Meute brach in Gelächter aus und Delaney lachte am lautesten. Sie sah umwerfend aus, ihr Haar zu zwei unordentlichen Zöpfen geflochten, graue Augen, Wangenknochen wie ein Filmstar. Sie sah mich einladend an, den Witz mit ihr zu teilen und ganz kurz sonnte ich mich im Glanz ihrer Bestätigung. Ihr Blick schweifte an mir vorbei. Ich drehte mich um und sah, wie Kamran sie lächelnd anstarrte. Dann nahm Delaney einen Schluck. Einen großen Schluck. Ich musste hier weg. Ich musste pinkeln.
    ***
    Nächste Station: Ultraschall, ein Zimmer, eingehüllt in warme Dunkelheit. Ich dachte, ich sterbe, so dringend musste ich auf die Toilette. So war das mittlerweile ständig, jetzt, wo das Baby größer war.
    »Tut mir leid, aber wir brauchen eine volle Blase, um das Baby zu sehen«, erklärte mir die Ärztin.
    Die Assistentin drückte schmieriges Zeug aus einer Tube auf meinen Bauch und presste behutsam den Sensor direkt in die Mitte davon. Dann rollte sie ihn hin und her und erzeugte Licht und Schatten auf dem angeschlossenen Monitor. Die schwarz-weißen Formen faszinierten mich, sie veränderten sich ständig, völlig fremd, wie Schatten und Licht einer Kohlezeichnung. Dann tauchten fünf Linien auf, die zu einer erkennbaren Form wurden.
    »Das ist eine Hand«, sagte die Assistentin.
    Es war, als hätte diese Hand eine Tür geöffnet. Plötzlich sah ich einen Arm, dann zwei Arme. Sie zeigte mir Füße und Beine und fuhr dann wieder hoch, um mir das Gesicht zu zeigen, das sie aus den Schatten löste.
    »Möchtest du wissen, was es wird?« fragte sie.
    »Sie können das schon erkennen?«
    Sie lachte. »Hast du schon ein Gefühl, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist?«
    »Nein«, sagte ich, aber ich hatte eine Hoffnung.
    Sie fuhr mit dem Scanner hoch zu meinem Bauchnabel und ein u-förmiger Klecks zeigte sich auf dem Bildschirm. Mein Herz hörte beinahe auf zu schlagen, als ich die beiden Rundungen sah.
    ***
    Nachdem Essence ihr Ich hab noch nie zum Besten gegeben hatte, stolperte ich durch den Wald in Richtung Hütte. Brennnesseln streiften meine Beine und hinterließen juckende Spuren auf meiner Haut. Meine weißen Shorts und das T-Shirt, das so heiß ausgesehen

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