Erzaehl mir ein Geheimnis
hatte als ich es anzog, waren jetzt rußig, und auf meinen Shorts war deutlich der Abdruck meiner Pobacken zu sehen, vom Sitzen auf der Erde. So viel zu dem Versuch, Kamrans Aufmerksamkeit zu erlangen.
Nun ja, was würde Xanda tun? Als Erstes würde sie viel Aufhebens um die Tatsache machen, dass sie schmutzig war. Sie wäre soooo schmutzig. Grrrr.
»Grrr«, sagte ich zu mir selbst, als ob Xanda mir zuhören würde. »Okay«, schnaubte ich dann, stellte mich gerade hin und legte meine Hand auf die Hüfte. »Versuchen wir’s noch mal. Grrr!«
»Grrr, du auch«, ertönte eine tiefe Stimme aus der Dunkelheit. Das Mondlicht schien durch die Baumkronen und ich konnte Kamran darin erkennen. Sein dunkles Haar, sein abgeranztes rotes T-Shirt, die verwaschenen Jeans, so schmutzig wie meine, das machte ihn einfach unwiderstehlich. Ich wünschte, ich hätte mich so in sein Herz eingebrannt wie er sich in meins. Wir waren allein. Die Meute am Lagerfeuer war unten am Hügel zu hören, ihr Gelächter, verschwommenes Gejohle.
Egal, ob sie über mich lachten oder nicht: Kamran war da.
»Was war los?«, fragte er leise. So leise, dass ich mich fragte, ob ich mir das alles vielleicht nur einbildete.
So, wie man sich entscheiden muss, welchen Weg man in einem Labyrinth nimmt, konnte ich jetzt die Wahl treffen, in welche Richtung das hier gehen würde. Ich konnte ihm die Wahrheit sagen und meine Ängste und Unsicherheiten vor ihm ausbreiten. Er würde sie auseinandernehmen und einfach abtun. Diesen Weg war ich schon oft gegangen und ich wusste genau, wo er hinführen würde. Er konnte das mit Delaney abstreiten, wie er wollte, ich hatte es genau gesehen, sogar im schwachen Schein des Feuers.
Schlimmer noch, er könnte meine Ängste bestätigen, mir sagen, dass sie innerhalb eines Augenblicks sein Herz erobert und es mir genommen hatte.
Oder ich könnte einen anderen Weg gehen. Einen ebenso häufig bewanderten, allerdings noch nie von uns. Delaney hätte es schon vor langer Zeit getan, und sie hätte ihn um den Finger gewickelt. In diesem Moment, als er mich so ansah, das Echo meines zuversichtlichen »Grrr« hing noch in der schwülen Luft, fühlte ich mich sooo schmutzig und sexy und vielleicht sogar ein bisschen selbstsicher. Hier konnten wir einen neuen Weg entdecken, weg von dieser Unsicherheit, hinein in eine sichere Zukunft. Ich konnte das. Ich konnte diese Chance ergreifen. Ich konnte ein bisschen mehr wie Delaney sein, um ein bisschen mehr ich selbst zu sein. Um ihn nicht zu verlieren, konnte ich den ersten Schritt tun.
Irgendwo war ein Feuerwerk zu hören. Ich ging einen Schritt auf ihn zu und legte seine Hände auf meine Hüften, unter mein T-Shirt.
Ich berührte seine Lippen mit meinen und besiegelte unseren Weg: Wir standen kurz davor, Neuland zu beschreiten.
***
»So, anscheinend bekommst du ein Mädchen«, sagte die Assistentin und starrte in die weißen Schatten.
»Ein Mädchen? Woher wissen Sie das?«
Sie zeigte auf den Bildschirm. »Hier ist der Po, von dem die Beine weggehen und die drei kleinen Linien in der Mitte. Diese drei Linien bedeuten, dass es ein Mädchen ist.«
Jetzt war ich richtig aufgeregt. »Wie würde es aussehen, wenn es ein Junge wäre?«
»Zwei große, runde Kleckse«, erwiderte sie lachend. »Es ist mir unbegreiflich, wie andere das immer wieder verwechseln können.«
Ich bat sie, noch einmal genau hinzusehen, nur um sicherzugehen. Aber ich wusste, das es stimmte. Ich hatte es schon vorher gewusst.
»Hast du schon einen Namen?«, fragte mich die Assistentin.
»Ja, habe ich. Sie heißt Alexandra. Aber ich werde sie Lexi nennen.«
17
Morgens werkelte Mom normalerweise im Haus herum, sobald Dad weg war. Diese Flucht war seine Art, dem Geflecht unserer Familie zu entkommen. Ich war am Verhungern, völlig erschöpft davon, die letzten neun Stunden einen zweiten Menschen mitzuernähren. Selbst eine neue Welle der Verdammnis vonseiten meiner Mutter hätte mich jetzt nicht vom Frühstücken abhalten können.
Aber das Haus war schon leer. Zumindest machte es den Anschein, als ich in die Küche kam, um meiner neuen Leidenschaft zu frönen: Pampelmuse mit Haferbrei. Fleisch für Jungs, Obst für Mädchen, sagt eine Ammenweisheit. Die BabyCenter-Frauen teilten sich in zwei Lager: Die einen wollten wissen, was es wird, die anderen wollten sich überraschen lassen. Als ich das Ultraschallbild von Lexi gepostet hatte, schrieb Nik: »Wenn du jetzt schon denkst, dass ihr, du und Kamran,
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