Erzaehl mir ein Geheimnis
Bilderbuch-Truthahn. Er sah eher aus, als wenn er in die Fossilienabteilung eines Museums gehörte. Da konnte auch Soße nichts mehr ausrichten.
»Was meinst du, Rand?« James hielt das elektrische Messer hoch und es schien mir keine gute Idee, in diesem Moment seine Kreation zu beleidigen.
»Ähm, sieht toll aus«, murmelte ich. »Mmmm. Riecht lecker.«
»Siehst du.« Er zeigte mit dem elektrischen Messer auf Shelley und wedelte damit herum. »Ich hab dir doch gesagt, dass Turkey Talk eine gute Idee war.«
»Sie haben wirklich Turkey Talk angerufen?«, sprudelte es aus mir heraus. Die ganze Woche hatte es Werbung für diese Truthahn-Hotline gegeben, den »Truthahnhelfer«, gesponsert von einem lokalen Radiosender. Niemand in meiner Familie würde jemals Turkey Talk anrufen, egal wie schlecht meine Mutter kochte.
DaShawn sägte an seinem Fleisch herum und sang: »Du weißt nicht, was tuu-uun, mit dem Trut-huu-uun? Ruf Turkey Talk , yeah, yeah, ruf Turkey Talk an!«
»Oh Mann«, sagte Shelley.
»Was denkst du, wie ich es fertiggebracht habe, diesen prächtigen Truthahn zuzubereiten?« James fuhr fort, große, verkohlte Fleischstücke abzuschneiden und sie auf der Platte zu türmen. Er war ein Spiegelbild von DaShawn: großer Zwilling und kleiner Zwilling. »Rand schmeckt es.«
»Nun ja …«, begann ich, aber er warf mir denselben finsteren Blick zu, mit dem mich schon DaShawn bedacht hatte, als ich durch die Tür kam.
»Jetzt warte mal. Ich dachte, du bist meine Verbündete?« Zu DaShawn sagte er: »Sieht aus, als ob nur noch wir beide übrig sind, Kumpel.«
»Wenn du meinst, Dad.« DaShawn fing wieder an, die Turkey-Talk -Melodie zu singen. Wir aßen zu Ende und räumten dann gemeinsam die Küche auf.
Weder Shelley noch ich redeten viel auf dem Rückweg, was diese Fahrt zu einem unwirklichen Erlebnis machte, nach dem Chaos bei ihr zu Hause.
»Ich mag Ihren Sohn. Er sieht aus wie sein Dad.«
»Er ist eindeutig der Sohn seines Vaters. Beide machen ständig nur Ärger. Ich wünschte, wir hätten ihn öfter.«
»Öfter? Er lebt nicht bei Ihnen?«
»Er lebt bei seiner Mutter, aber wir haben ihn jedes zweite Wochenende und an einigen Feiertagen. Dieses Jahr sogar an Thanksgiving und an Weihnachten.«
»Macht Ihnen das nichts aus?«
»Hoffnung hält uns aufrecht.« Ich wartete darauf, dass sie noch mehr sagen würde, aber sie blieb still. Wahrscheinlich hatte ich schon wieder was Falsches gesagt.
Wenn das Leben doch nur einen Löschknopf hätte! Ich würde das Ebengesagte löschen. Ich würde das Fiasko bei der Weihnachtsaufführung löschen. Ich würde das, was ich Essence und Delaney mir angetan hatte, löschen. Ich würde meine Begegnung mit Kamran löschen. Ich würde Xandas Tod löschen.
Würde ich Lexi löschen?
Nein. Sie war meine Chance, alles geradezubiegen.
26
Die Schule hatte den Winterball auf das letzte Wochenende vor den Weihnachtsferien gelegt – als ob die Vorbereitung auf die größte Einkaufsschlacht des Jahres nicht schon genug wäre, musste jetzt auch noch genau um diese Zeit die größte Knutschparty des Jahres stattfinden.
Es war schwer, durch die Flure zu laufen – oder, in meinem Fall, zu watscheln –, ohne meine Mitschüler über ihre Verabredungen prahlen zu hören (»Cole hat mich gefragt. Endlich!«) oder über ihre Ballkleider (»Na ja, meine Mom wollte, dass ich zu Nordstrom gehe, aber ich habe ihr gesagt ich muss das Betsy-Johnson-Kleid haben …«) oder über ihre Hoffnungen, endlich zum Zug zu kommen (»Was? Latiesha! Respekt!«), besiegelt durch den passenden Handschlag.
Delaney war im Planungskomitee für den Winterball. Das letzte Stadium ihrer Transformation vom Bad Girl zur Ballkönigin. Sie und Chloe marschierten mit Tacker und Postern bewaffnet durch die Schule, um diesen Ball besonders den Schickimickis schmackhaft zu machen. Aber natürlich sprach die Werbung auch diejenigen an, die Delaney leider nicht von dem Ball verbannen konnte. Wie beispielsweise Essence. Oder mich.
Sie musste sich aber nicht wirklich Gedanken darüber machen, ob wir zum Ball gehen würden. Der Winterball fiel jedes Jahr auf die Premierennacht der Weihnachtsaufführung. Und dann würde ich wieder zur Arbeit in die Bank gehen und Essence wäre mit ihren Proben für Guys and Dolls beschäftigt. Ich überflog die ausgehängte Besetzungsliste von unten nach oben. Als ich schon fast oben auf der Liste angekommen war, blieb ich an ihrem Namen hängen: Essence Hannah … Adelaide . Ihre
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