Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
Vom Netzwerk:
ein Weilchen hin, bevor ich gehe. Ich bin müde von der Arbeit und den Proben und allem anderen.« Ihr Schuldgefühle zu machen, fühlte sich richtig gut an.
    Später, als ich mit meiner Pastete bewaffnet hinaus in den Regen ging, kam mir der Gedanke, dass ich eigentlich wirklich bei Kamran vorbeigehen könnte. Vielleicht konnte ich einfach die Party sprengen, mit Mr und Mrs Ziyal Datteln kauen und über die Zukunft ihres Enkelkindes diskutieren. Ich ging mal davon aus, dass sie die frohe Botschaft noch nicht erhalten hatten.
    Wäre ich Xanda, hätte ich es vielleicht getan.
    Beim Umherfahren ging ich meine Möglichkeiten durch: Brücke. Kirche. Bei Kamran zu Hause einfallen oder im französischen Restaurant. Die Brücke war gar nicht mal so schlecht. Das Problem war nur, die Obdachlosen wären wahrscheinlich genauso gierig auf ein Stück von mir wie auf ein Stück meiner Pastete gewesen. Außerdem hatte ich vergessen, eine Gabel mitzunehmen.
    Zum Glück war die First Washington Bank direkt um die Ecke, und ich hatte den Schlüssel dabei.
    Ich fuhr auf den Parkplatz. Ich könnte ja hierbleiben, eine Tasse Tee trinken und ein Schläfchen auf der Couch in der Eingangshalle machen. Heute, an einem der wenigen freien Tage im Bankwesen, war das Gebäude dunkel und leer. Nicht mal auf dem Parkplatz war ein Auto zu sehen. Niemand würde draußen im Regen herumlaufen, wenn er sich stattdessen drinnen Football oder die typischen Thanksgiving-Wiederholungen im Fernsehen ansehen konnte, um dabei sowohl den Truthahn als auch die Liebe seiner Familie zu genießen.
    Doch dann parkte ein schwarzer Geländewagen direkt neben mir, verschwommen durch die Regentropfen auf meinen Scheiben. Wahrscheinlich war es jemand, der noch Geld am Automaten holen wollte, um sich am Gemeinschaftstruthahn oder den Süßkartoffeln zu beteiligen. Die Scheiben des Wagens waren dunkel.
    Der Fahrer rührte sich nicht. Auf der Beifahrerseite stieg auch niemand aus. Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich blieb reglos sitzen und drehte mein Gesicht auf die andere Seite, um nicht erkannt zu werden. Ich sah mich schon, wie ich aus dem Auto gezerrt wurde und meine einzige Waffe, die Pastete, zerschmettert auf dem Asphalt lag. Wenn es jemand wirklich darauf anlegen würde mir wehzutun, dann konnte ich Lexi nicht beschützen. Ich hörte mich selbst den einen Satz sagen, den ich seit dem ersten Ultraschallbild in meinem Kopf schon so oft wiederholt hatte: Wenn du meinem Baby etwas tust, bringe ich dich um. Ich würde den Pastetenteller dafür benutzen, einen Zigarettenanzünder, sogar Chloe schubsen. Ich drehte den Schlüssel um und startete den Motor.
    Als ich rückwärts aus der Parklücke fuhr, sprang jemand aus dem Geländewagen und an mein Beifahrerfenster. Ich erstarrte. Eine Hand klopfte an das Fenster und ein Gesicht lugte unter der Kapuze einer Skijacke hervor. Runde Augen sahen mich an.
    Erst glaubte ich, vor Erleichterung in Ohnmacht zu fallen, doch dann eher aus Angst, weil man mich auf dem Parkplatz der Bank erwischt hatte.
    Es war Shelley, meine Chefin.
    Sie trommelte gegen das Fenster. »Alles okay bei dir?« Ich ließ die Scheibe herunter und der Regen kam meinem Thanksgiving-Essen, das auf dem Beifahrersitz lag, gefährlich nahe.
    »Ja«, rief ich, »es geht mir gut.« Ich nahm die Pastete aus dem Regen und Shelley fasste es als eine Einladung auf, sich zu mir ins Auto zu setzen.
    »Ich wollte meinen Laptop holen und du sitzt hier im Regen. Was machst du hier? Wo sind deine Eltern? Bist du auf dem Weg irgendwohin?« Sie sah meine Pastete an, dann meinen Bauch und schließlich mein erbärmlich aussehendes Gesicht. »Du kannst nirgendwohin, stimmt’s?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. »Und du wolltest hier sitzen bleiben und deine Pastete essen und dich selbst bemitleiden.«
    »Nein, natürlich bin ich auf dem Weg …«, protestierte ich. »Es ist nur, dass …«
    »Es ist nur, dass du stattdessen mit zu mir nach Hause kommst, richtig?«
    »Echt?«
    »Ich werde dich auf keinen Fall mit dieser wundervollen Pastete hier allein auf dem Parkplatz sitzen lassen. Kürbis?«
    Ich nickte.
    »Lass dein Auto hier, wir fahren mit meinem. Und vergiss nicht, die Pastete mitzubringen.«

25
    Ich stieg in Shelleys Geländewagen und hatte plötzlich eine ganz andere Sicht auf die Welt. Hoch oben, angstfrei und mit einem Ziel vor Augen.
    Zwanzig Minuten später parkten wir vor einem Haus im viktorianischen Stil in der Nähe vom Green Lake,

Weitere Kostenlose Bücher