Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
frieren als unten vor der Tür, es dauere nicht lange und die Wärme komme, sage ich, sei einmal eingeheizt, breite sich die Wärme rasch aus, auf die Vorzüglichkeit der amerikanischen Gußeisenöfen wies ich hin, machte eine Bemerkung über die Schädlichkeit von Zentralheizungen, immer wieder sagte ich, es sei viel zu finster für eine Büroarbeit, man könne die Vorhänge aufziehen, es nutze nichts, mehr Lampen anzünden, es nütze nichts, eine gewisse Unheimlichkeit, dachte ich, ist diese Situation, in der düsteren Kanzlei in der Frühe mit einem fremden Menschen zusammen zu sein, der ganz in seinen Wetterfleck eingewickelt ist, aber wenn man bedenkt, sage ich, daß in vier Wochen schon der kürzeste Tag ist, sagte ich, wirkungslos, ich redete von allem Möglichen, während ich am Ofen stand, war aber ausschließlich mit dem Wetterfleck des neuen Klienten beschäftigt. Wilten hat so etwas nie erlebt, sage ich, Tausende Menschen, mir machte der Neue den Eindruck, als sei er Realitätenvermittler, Liegenschaftsaufkäufer, diese Leute tragen solche Wetterflecke in solcher Körperhaltung und haben derartige Gesichter, dachte ich, oder der Mann ist Viehhändler, denke ich, sofort dachte ich, er ist Realitätenvermittler, einer von diesen Männern, die in ihren Wetterflecken herumgehen und wie die Ärmsten der Armen ausschauen und doch den ganzen Liegenschaftsmarkt der inneren Alpen beherrschen, andererseits, der Mann kann Viehhändler sein, weil er ja auch seinen Hut aufgelassen hat, denke ich, das spricht dafür, daß er Viehhändler ist, die Hände sah ich nicht, der Kopf war von großer Magerkeit, daran erkennt man die Viehhändler, daß sie ihren Hut aufbehalten, auch wenn sie in eine Kanzlei hineingehen, sich sofort hinsetzen und ihren Hut aufbehalten, im Stiegenhaus hatte sich der Mann vorgestellt,dachte ich, aber ich hatte seinen Namen vergessen, aber jetzt dachte ich: ein bekannter Name, ein für Tirol charakteristischer Name. Plötzlich fiel mir ein, der Mann heißt Humer. Humer? frage ich, Humer, sagt der Mann. Ich wollte wissen, was er will, ich sagte aber nicht: was führt Sie zu mir? , ich dachte auch nicht, was führt Sie zu mir , ich sagte einfach: diese Kanzlei ist die älteste Kanzlei in ganz Innsbruck. Schon mein Vater hat diese Kanzlei geführt, mehr in Notariatssachen, sagte ich, dann, einerseits ist es ein Vorteil, wenn eine Kanzlei schon so alt ist, andererseits ein Nachteil, ich fragte mich, warum sagst du das?, die Unsinnigkeit dieser Äußerung war mir, noch während ich sie machte, zu Bewußtsein gekommen, das hinderte mich aber nicht, gleich darauf noch eine Unsinnigkeit zu äußern, ich sagte: die Lage der Kanzlei ist die beste. Diese Äußerung, wie auch die vorausgegangene hatte aber auf den neuen Klienten, und um einen solchen handelt es sich zweifellos, dachte ich, keine sichtbare Wirkung. Da der Mann weiter beharrlich schwieg, andererseits meine Zeit zu kurz gewesen war, um ihn noch länger schweigen zu lassen, ganze Berge von unerledigten Akten hatten sich in den letzten Wochen vor mir aufgetürmt, sagte ich: die Leute kommen zu mir, wenn es sich um etwas Einheimisches handelt. In solchen Fällen muß man mit der Stadtmaterie vertraut sein, sagte ich und ich versuchte, Ordnung zu machen auf dem Schreibtisch, Akten, nichts als Akten , sagte ich, die Gedankenlosigkeit und die Gleichgültigkeit lassen einen fortwährend Sätze aussprechen, Sätze und Überbleibsel von Sätzen, solche leblosen Sätze und solche leblosen Überbleibsel von Sätzen, aber zu Humer hatte ich Akten, nichts als Akten zum erstenmal gesagt, dachte ich, gleichzeitig: der Mann hat bemerkt, daß du Akten, nichts als Akten schon Hunderte und Tausende Male gesagt hast. Plötzlich war ich über den ganzen Zustand verärgert und ich sagte, auf die Uhr schauend: wir müssen zur Sache kommen. Wir kamen aber noch lang nicht zur Sache. Anstatt daß mir der Mann nämlichjetzt den Grund seiner Anwesenheit in meiner Kanzlei eröffnete, machte er ein paar, wie mir schien, vollkommen bedeutungslose, dazu auch noch unzusammenhängende Bemerkungen über seine Herkunft, Vorstadt, abgeschlossenes, in nichts konsequentes Aufwachsen, bedauernswerte Kindheit und so fort, etwas über seine Geschäftsverhältnisse sagte er, daß er sich keine Eisenbahnfahrkarte zu seiner Schwester nach Linz leisten könne, er redete von Spitalaufenthalten, schwierigen Operationen in seinem Körperinnern, wobei er immer wieder die Wörter Niere (in

Weitere Kostenlose Bücher