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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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auf ihn, und von ihr aus könnt' ich schon neben ihr weiterspazieren, wenn's mir Vergnügen machte.
    Es war merkwürdig, wie rasch wir in das gemütliche Plaudern kamen. Ich muß mir schon das Kompliment machen, daß ich meine Rolle gut gespielt habe. Wie sie mich fragte: was sind S' denn eigentlich?, antwortete ich: Raten Sie. Na, was sollen S' denn sein, meint sie – ein Künstler! Und was für einer? frage ich. Ich war wahrhaftig neugierig. »Dichter«, sagt sie plötzlich ganz bestimmt. Ich schau' sie mit einem Blick an, der hieß: Du bist nicht nur ein sehr hübsches, sondern auch ein sehr gescheites Mädel. Na, hab' ich's erraten? sagt sie lächelnd. Und dann fragt sie weiter, ob ich schon lang dichte, ob ich sehr schön dichte und ob's mir Freud' macht, und so fort. – Ah, jetzt fing ein vergnügtes Lügen an! Es ist unglaublich, was ich ihr alles erzählt habe, es muß aber nicht nur interessant, sondern auch glaubwürdig gewesen sein. Denn sie lauschte geradezu andächtig. Nun ja, die Kämpfe meiner Jugend, bis ich mich mühselig durchgerungen, und das Mütterlein, fern in einem Städtchen, und dann die Frauen, und die großen Schmerzen, und die begrabene Liebe – es war wirklich rührend, und es tut mir nur leid, daß ich mir nicht genau gemerkt, was ich alles erlebt habe. Und mit einem Mal waren wir im Grünen. Wirklich draußen in der schönen Natur, und wir spazierten durch den Wald, und es wurde einsam und stiller. Wir setzten uns auf eine Bank. Ab und zu kamen Leute vorbei, und durch das Gesträuch konnte man auf eine Wiese sehen, drüben wieder Wald, und dort, weit, im Schatten unter aufgespannten Schirmen, lagen die braven Sonntagsausflügler. Zuweilen hörten wir von dort her lauteres Rufen und Lachen. Dann wieder wurde es ganz still – schwüler, stummer Nachmittag. Nun fing sie auch an von sich selber zu erzählen – die alte Geschichte; aber sie stand ihr gut zu Gesicht. Sie ist Kunststickerin, hat keine Eltern mehr; bis vor kurzem hat sie mit ihrer Tante gewohnt; aber das war nicht für die Dauer. Sie deutete an, daß irgendeine Liebesgeschichte – gewiß nicht ihre erste – mitgespielt habe. Die aber scheint auch zu Ende zu gehen. Haben Sie ihn sehr lieb? fragte ich. Sie schaute zu Boden. O ja, sagte sie; freilich, es ist auch viel Gewohnheit dabei, setzte sie hinzu. Und dann, plötzlich: Nun, Sie haben ja gewiß auch einen Schatz? Ich wollte den Schatz nicht ganz ableugnen; das hätte mir entschieden geschadet – aber auch bei mir war die Sache in langsamem Hinsterben begriffen. Mehr wollte ich nicht sagen – sie fragte auch nicht viel. Jedenfalls fanden wir bald, daß man das eigentlich nicht so schlechthin einen Zufall nennen dürfe, was uns zusammengeführt. Die Ähnlichkeit unseres Schicksals, der eigentümliche Augenblick unserer Begegnung, beide gerade so müde von einer sterbenden Liebe, ja, wenn das nicht Bestimmung sei! – Und so plauderten wir im grünen Wald, und es war so schwül, so schwül! Endlich nach dem langen Plaudern kam das Schweigen. Sie saß, ganz nah an mich gerückt – und es war wirklich ganz wunderbar, was dieser süße Mädchenleib für einen wohligen Duft ausströmte. Das ist so nett von diesen kleinen Vorstädtlerinnen, daß sie immer so soigniert sind. Die Kleine hat sich zum Namenstag jedenfalls einen sehr guten Parfüm schenken lassen. Aber aus ihren lockigen Haaren kam noch ein ganz eigener Duft. Ich zog sie an mich. Schläfrig? fragte ich. – Sie nickte und lehnte den Kopf an meine Brust und schloß wahrhaftig die Augen. Nun mußte ich doch diese herzigen, geschlossenen Augen küssen, sie ließ es geschehen, dann küßte ich ihre Wangen, ihren Mund. Sie sagte »aber!« und küßte mich wieder. Es kamen Leute vorbei, und wir standen auf. – Nun war es vollkommen entschieden, daß uns ein geheimnisvolles Walten des Schicksals zusammengeführt, welches, wie das Schicksal schon ist, durchaus unser Glück wollte. Für alle Fälle sagten wir uns »Du« ... Es ist nicht zu schildern, wie gut aufgelegt wir waren. Sie behauptete, daß ihre geheime Sehnsucht stets ein Dichter gewesen sei. Und meine? Ich war großartig und behauptete, meine Sehnsucht war überhaupt nur sie, gerade sie, gerade diese kleine, süße Pepi, die Sonntag, den soundsovielten Juni, über die Währingerlinie spaziert kam mit einem Sonnenschirm und einem Strohhut. Und wie die Zeit verging! Es begann schon zu dämmern. Also was nun? Zusammen nachtmahlen natürlich! – Aber vor zehn

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