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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Frau Brigitte van Tricasse, der Frau des Herrn van Tricasse, die Tochter des würdigen Paares Suzel und ihre Magd Lotchè Jansheu. Auch müssen wir die Schwester des Bürgermeisters, Tante Hermance, eine alte Jungfer, anführen, die auf den Namen Tatanémance hörte, den ihr ihre Nichte Suzel, als diese noch ein kleines Mädchen war, beigelegt hatte. Trotz all dieser Elemente der Zwietracht, des Lärms und der Schwatzhaftigkeit war das Bürgermeisterhaus, wie schon erwähnt, so still und ruhig wie eine Wüste.
    Herr van Tricasse, ein Mann von fünfzig Jahren, war weder besonders stark noch mager, weder groß noch klein, weder alt noch jung, weder lebhaft geröthet noch auch blaß, weder fröhlich noch traurig, weder besonders zufrieden noch verdrießlich, weder sehr energisch noch weichherzig, weder stolz noch demüthig, weder gut noch böse, weder freigebig noch geizig, weder tapfer noch feige, weder zu viel noch zu wenig, –
ne quid nimis, –
gemäßigt und Maß haltend an Allem; aber jeder Physiognom hätte wohl sofort an der unveränderten Langsamkeit seiner Bewegungen, an der herabhängenden Unterlippe, den stets gleichmäßig gehobenen Augenlidern und an seiner Stirn, die ohne jede Runzel einer Metallplatte glich, daß er in Herrn Tricasse das personificirte Phlegma vor sich sah. Nie hatte weder Zorn noch eine sonstige Bewegung seinen Herzschlag beschleunigt oder seine Wangen höher gefärbt: und nie zogen sich seine Pupillen unter dem Eindruck irgend einer noch so vorübergehenden Gereiztheit zusammen. Er war einmal wie immer in einen guten, weder zu weiten noch zu engen Rock gekleidet, und nie gelang es ihm, die Röcke abzutragen. Seine starken viereckigen Schuhe mit dreidoppelter Sohle und silbernen Schnallen brachten durch ihre Dauer die Schuhmacher zur Verzweiflung, und sein großer Hut datirte noch aus der Zeit, als Flandern sich entschieden von Holland absonderte, und bekundete somit das ehrwürdige Alter von vierzig Jahren. Doch das Alles war wohl erklärlich: die Leidenschaften nutzen ebenso die Seele wie den Körper und mit ihm natürlich die Kleider ab, und unser würdiger Bürgermeister war nicht leidenschaftlich und ruinirte in Folge dessen weder sich noch seine Sachen. Aller dieser Eigenschaften wegen eignete aber auch gerade er sich dazu, Quiquendone und seine ruheliebenden Einwohner zu regieren.
    Wirklich war die Stadt fast ebenso still, wie das Haus, in welchem der Bürgermeister das weit möglichste Lebensziel menschlichen Daseins zu erreichen hoffte; mußte er doch noch erleben, daß die gute Frau Brigitte van Tricasse, seine Gemahlin, ihm in das Grab voranging, wo sie doch kaum eine tiefere Ruhe finden konnte, als die sie seit sechzig Jahren hier auf Erden genoß.
    Vorstehendes verlangt eine Erklärung.
    Die Familie von Tricasse hätte sich mit Fug und Recht »Familie Jeannot« nennen können, und das hing so zusammen.
    Bekanntlich ist das Messer dieser typischen Persönlichkeit ebenso wenig abzunutzen wie sein Eigenthümer, was darin seinen Grund hat, daß einmal der Stiel und dann wieder die Klinge erneuert wird. Eine ähnlich Operation vollzog sich seit undenklicher Zeit, ja schon seit dem vierzehnten Jahrhundert in der Familie Tricasse, und was noch wunderbarer war, Mutter Natur gab sich mit ungewöhnlicher Gefälligkeit immer wieder dazu her, die Sache zu begünstigen. Wenn ein Tricasse Wittwer wurde, heiratete er eine van Tricasse, die jünger war als er: und wenn diese dann verwittwet war, verband sie sich mit einem van Tricasse, welcher abermals jünger war als sie, und der wiederum, wenn seine Frau starb… u.s.w. mit Grazie
in infinitum;
jeder starb mit fast mechanischer Regelmäßigkeit, sowie er an der Reihe war. Die würdige Frau Brigitte hatte nun bereits ihren zweiten Mann und mußte, wenn sie ihre Pflicht und Schuldigkeit erfüllen wollte, wie es einer Tricasse zukam, ihrem zehn Jahre jüngeren Gemahl vorangehen, um einer neuen Tricasse Platz zu machen. Darauf hatte der ehrenwerthe Bürgermeister von jeher mit absoluter Sicherheit gerechnet, denn wer konnte ihm zumuthen, daß er der Erste sein solle, der sich gegen die Familiensatzungen von Alters her auflehnte!
     

    Die würdige Frau Brigitte hatte ihren zweiten Mann. (S. 15.)
     
    So sah es in diesem stillfriedlichen Hause aus, in dem keine Thüren knarrten, keine Fensterscheiben klirrten, keine Dielen ächzten, kein Kaminfeuer brummte, keine Wetterfahnen schrillten, keine Möbel knackten, keine Schlösser rasselten, und

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