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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Beleuchtungswerk des Doctor Ox.
    – Gewiß.
    – Nun, die Sache geht ihren Gang, Niklausse, erklärte der Bürgermeister. Man macht sich schon an die Röhrenlegung, und die Anstalt ist vollständig fertig.
    – Wir haben uns doch vielleicht bei dieser Geschichte etwas übereilt, meinte der Rath kopfschüttelnd.
    – Vielleicht, gab der Bürgermeister zu; aber zu unserer Entschuldigung sei es gesagt, der Doctor Ox bestreitet den ganzen Kostenaufwand seines Versuchs. Die Sache wird uns keinen Heller kosten.
    – Das ist freilich eine sehr triftige Entschuldigung; auch muß man doch mit seiner Zeit fortschreiten, und wenn der Versuch gelingt, ist Quiquendone die erste Stadt in Flandern, die mit diesem Gas erleuchtet wird. Wie nennt er es doch? Oxy…
    – Oxyhydrogengas.
    – Also Oxyhydrogengas.
    In diesem Augenblick wurde die Thüre geöffnet, und Lotchè verkündete dem Bürgermeister, daß das Abendessen aufgetragen sei.
    Rath Niklausse stand auf, um sich von Tricasse zu verabschieden, denn er setzte voraus, daß so viele wichtige Entschließungen ihm Appetit gemacht hätten. Man kam überein, daß der Rath der Notabeln zu einem ziemlich entfernten Zeitpunkt versammelt werden sollte, um zu entscheiden, ob in Bezug auf die ziemlich dringliche Thurmfrage eine Entscheidung zu treffen sei.
    Die beiden würdigen Rathsherren steuerten nun auf die Hausthüre zu, indem der eine den anderen geleitete. Als Niklausse an die letzte Treppenstufe gekommen war, zündete er eine kleine Laterne an, die ihm durch die dunkeln Gassen Quiquendone’s leuchten sollte, denn noch waren sie ja nicht durch die Beleuchtung des Doctor Ox erhellt. Die Nacht war tiefdunkel, man befand sich im Monat October, und ein leichter Nebel breitete sich über die Stadt.
    Die Zurüstungen zum Fortgange des Raths Niklausse nahmen eine gute Viertelstunde Zeit für sich in Anspruch, denn nachdem er die erwähnte Laterne angezündet hatte, mußte er seine großen ledernen Galoschen und die Fausthandschuhe aus Schafsfell anziehen. Demnächst klappte er den Pelzkragen seines Ueberziehers in die Höhe, drückte seinen Filzhut über die Augen, bewaffnete sich mit dem schweren Regenschirm, den eine schnabelförmige Krücke zierte, und war jetzt bereit, das Haus zu verlassen.
    In demselben Augenblick aber, als Lotchè, die den beiden Herren geleuchtet hatte, den Riegel an der Hausthüre zurückschieben wollte, ließ sich von außen ein heftiger Lärm vernehmen. So unglaublich dies scheinen mag, es war Lärm, wirklicher Lärm, wie ihn die Stadt wohl seit der Eroberung des Schloßthurms durch die Spanier im Jahre 1513 nicht gehört hatte. Ein furchtbares Geräusch weckte das in tiefen Schlummer versunkene Echo des alten Bürgermeisterhauses. Diese Thüre, die seit undenklichen Zeiten durch kein lautes Klopfen entweiht war, erdröhnte unter den brutalen Schlägen eines von kräftiger Hand geführten Knotenstocks, und Geschrei und Rufen ließ sich unmittelbar vor dem Hause hören.
    »Herr van Tricasse! Herr Bürgermeister! öffnen Sie, öffnen Sie schnell!« tönte es verworren herein.
    Bürgermeister und Rath sahen einander consternirt an, ohne vor Bestürzung ein Wort hervorbringen zu können; das ging über ihre Fassungskraft. Wäre die alte Feldschlange des Schlosses, die seit 1385 nicht mehr in Thätigkeit gewesen war, plötzlich im Saale abgefeuert worden, die Bewohner des Hauses van Tricasse hätten nicht mehr »wie auf den Mund geschlagen« dastehen können, als in diesem Augenblick. Möge man die Trivialität dieses Ausdrucks entschuldigen, aber das Bezeichnende des Worts brachte mich über die Scrupel der Wahl hinaus.
    Inzwischen verdoppelten sich die Schläge, das Schreien und Rufen nahm an Heftigkeit zu. Lotchè, die zuerst ihre Kaltblütigkeit wieder gewann, faßte sich ein Herz und fragte:
    »Wer ist da?
    – Ich bin’s! ich! ich!
    – Wer ist ich?
    – Commissar Passauf!«
    Commissar Passauf! über dessen Amt seit vollen zehn Jahren die Frage schwebte, ob es eingehen solle. Was in aller Welt mußte passirt sein? Hatten die Burgunder Quiquendone überfallen, wie schon einmal im vierzehnten Jahrhundert? Nur ein Ereigniß von dieser Tragweite konnte den Commissar Passauf, der für gewöhnlich Herrn van Tricasse an Ruhe und Phlegma nichts nachgab, bis zu diesem Grade erschüttern.
    Auf ein Zeichen des Bürgermeisters – der würdige Mann hätte in diesem Augenblick kein Wort über seine Lippen bringen können – wurde der Riegel zurückgeschoben, die

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