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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gefahrlos. Da die Herren sich gesagt haben mochten, daß sie einen Theil des Festprogramms bildeten, war ihnen der angstvolle Gedanke gekommen, sie könnten gezwungen werden, wozu sie sich freiwillig erboten hatten, und so waren sie in demselben Moment, wo der Vorhang aufging, von dem Schauplatze geflohen. Ihr Muth stand augenscheinlich im umgekehrten Verhältniß zu dem Quadrat ihrer Geschwindigkeit… sich aus dem Staube zu machen.
    Die halb getäuschte Menge ließ Unmuth und üble Laune merken; ich selbst war keinen Augenblick darüber unschlüssig, daß ich nun allein aufbrechen wollte. Um das Gleichgewicht zwischen der specifischen Schwere des Ballons und dem Gewicht, das befördert werden sollte, herzustellen, ersetzte ich meine Gefährten durch einige Sandsäcke und stieg in die Gondel. Die zwölf Mann, von denen das Luftschiff an zwölf im Aequatorialkreise befestigten Seilen gehalten wurde, ließen die Stricke etwas durch ihre Finger gleiten, und der Ballon erhob sich um einige Fuß mehr. Nicht der leiseste Windhauch war zu spüren, es schien, als ob die bleischwere Atmosphäre undurchdringlich sei.
    »Ist Alles klar?« rief ich.
    Die Männer standen bereit; ein letzter Blick gab mir die Gewißheit, daß ich aufbrechen konnte.
    »Achtung!«
    Eine Regung that sich in der Menge kund; man schien über die Einfriedigung hinausgehen zu wollen.
    »Alles losgelassen!«
    Der Ballon stieg langsam empor, aber ich verspürte eine so heftige Erschütterung, daß ich mich nicht halten konnte und auf den Boden der Gondel niederstürzte.
    Als ich wieder aufgestanden war, sah ich einen Reisegefährten neben mir; es war der blasse junge Mann.
    »Genehmigen Sie meinen höflichsten Gruß, mein Herr, sagte er mit der größten Ruhe.
    – Mit welchem Recht…
    – Ich mich hier befinde?… nun, Sie sind jedenfalls nicht im Stande, mich wieder fort zu schicken; das ist Recht genug!«
    Ich war einigermaßen verdutzt. Dieser Gleichmuth brachte mich für den Augenblick außer Fassung, und ich wußte nichts zu erwidern.
    Ich sah mir den Eindringling an, er aber beachtete mein Staunen nicht weiter.
    »Stört mein Gewicht das Gleichgewicht Ihres Ballons, mein Herr? Gestatten Sie mir…«
    Und ohne meine Zustimmung abzuwarten, entlastete er den Ballon um zwei Säcke, die er hinausschleuderte.
    »Herr, sagte ich nun und fügte mich wohl oder übel in die Nothwendigkeit, Sie sind in den Ballon gelangt… Gut! Sie sollen die Fahrt mitmachen… Gut!… Mir aber kommt die Leitung des Luftschiffes zu…
    – Ihre Zuvorkommenheit ist echt französisch, mein Herr; sie entstammt demselben Lande, wie auch ich. Gestatten Sie, daß ich Ihnen moralisch die Hand drücke, da Sie mir dies in Wirklichkeit vorenthalten. Treffen Sie Ihre Maßregeln ganz, wie Sie es für gut finden; ich werde warten, bis Sie fertig sind…
    – Woraus…?
    – Um mit Ihnen zu plaudern.«
    Das Barometer war auf sechsundzwanzig Zoll gefallen; wir befanden uns demnach sechshundert Meter hoch über der Stadt. Aber nichts verrieth die horizontale Verrückung des Ballons, da die Luftmasse, in der er eingeschlossen war, mit ihm ging. Leider hatte sich eine Art trüber Hitze über die Gegenstände zu unseren Füßen gelegt, so daß uns ihre Umrisse nur sehr unklar erschienen.
    Ich sah mir von Neuem meinen Gefährten an.
    Er war etwa dreißig Jahre alt und trug einfache Kleidung; seine starken Züge deuteten auf unbezwingliche Energie, und seine Muskulatur war sehr ausgebildet. Er stand regungslos, ganz von dem Staunen hingerissen, das ihm diese schweigende Auffahrt abnöthigte; er lehnte an dem Gondelrand und suchte die Gegenstände zu unterscheiden, die mehr und mehr in ein unbestimmtes Ensemble verschmolzen.
    »Wie ärgerlich ist dieser Nebel!« begann er nach einigen Minuten.
    Ich antwortete nicht.
    »Ich sehe, Sie sind böse auf mich! fuhr er fort. Bah! ich konnte die Reise nicht bezahlen und mußte so wohl den Weg des Ueberfalls wählen.
    – Es hat Sie Niemand gebeten, jetzt herunter zu steigen, Herr!
    – Und wissen Sie denn nicht, daß ganz dasselbe den Grafen von Laurenein und von Dampierre begegnete, als sie am 15. Januar 1784 in Lyon aufstiegen? Ein junger Kaufmann, mit Namen Fontaine, kletterte über die Galerie, und zwar mit großer Gefahr für die Maschine. Er hatte die Reise mitgemacht, und Niemand ist dabei verunglückt.
    – Wenn wir wieder auf festem Boden sind, werden wir Zeit genug haben, uns auseinander zu setzen, entgegnete ich, durch seinen leichten Ton

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