Erzählungen
länglich gestalteter Ballon entschieden gegen den Wind. Herr Patin ist darauf gekommen, vier Hydrogen-Ballons an einander zu setzen, und hofft mittels horizontal gestellter und theilweise zusammengefalteter Segel einen Gleichgewichtsbruch zu erzielen, der den Apparat nach der Seite neigt und ihm einen schrägen Flug verleiht. Man spricht wohl von Motoren, die den Widerstand der Strömungen brechen sollen, z.B. der Schraube, aber da diese sich in einem leicht nachgebenden Medium bewegt, wird sie kein Resultat liefern. Ich, mein Herr, bin bis jetzt der Einzige, der Mittel und Wege entdeckt hat, durch das die Ballons gelenkt werden können; aber nicht eine einzige Stadt hat meine Subscriptionslisten gefüllt, nicht eine einzige Regierung hat auf mich hören wollen; es ist schändlich!«
Der Unbekannte erging sich in so heftigen Gesticulationen, daß die Gondel gewaltsame Schwankungen erfuhr; ich hatte Mühe, ihn wieder zu beschwichtigen.
Inzwischen war der Ballon in eine raschere Strömung gekommen, und wir rückten in einer Höhe von 1500 Metern gegen Süden vor.
»Dort ist Darmstadt, rief mein Begleiter und bog sich über den Rand der Gondel. Können Sie das Schloß sehen? ganz undeutlich, nicht wahr? Bei dieser Gewitterschwüle scheinen die Gegenstände dort unten hin und her zu schwanken, und man muß ein gutes Auge haben, um die Oertlichkeit genau zu erkennen!
– Sind Sie sicher, daß das Darmstadt ist? fragte ich.
– Gewiß, erwiderte er; wir befinden uns jetzt sechs Stunden von Frankfurt.
– Dann müssen wir uns herablassen.
– Herablassen? soll der Ballon etwa an einem Kirchthurm hängen bleiben? fragte der Unbekannte mit höhnischem Lächeln.
– Nein, ich werde einen Punkt in der Umgebung der Stadt wählen, erwiderte ich.
– Gehen wir den Kirchthürmen so viel wie möglich aus dem Wege!«
Mit diesen Worten griff mein Reisegefährte abermals nach den Ballastsäcken. Ich stürzte auf ihn zu, aber er warf mich mit einer Hand zu Boden, und der erleichterte Ballon stieg auf eine Höhe von 2000 Metern.
»Seien Sie ganz ruhig, rief er, und bedenken Sie, daß Brioschi, Biot, Gay-Lussac, Bixio und Barral ihre wissenschaftlichen Versuche in noch beträchtlicheren Höhen gemacht haben.
– Mein Herr, wir müssen jetzt hinabsteigen, sagte ich und versuchte, ihn mit Güte zu bewegen. Das Gewitter zieht sich um uns zusammen; wir würden unklug handeln…
– Bah! wir gehen hoch darüber hinaus und kümmern uns nicht weiter darum! rief mein Begleiter. Was kann es Schöneres geben, als diese Wolken zu beherrschen, die die Erde zu erdrücken scheinen! Ist es nicht ehrenvoll, so durch die Fluth der Luft zu schiffen? Die bedeutendsten Leute sind gereist wie wir jetzt. Die Marquise und die Gräfin von Montalembert, die Gräfin von Podenas, Fräulein La Garde, der Marquis von Montalembert sind von der Vorstadt Saint-Antoine in diese unbekannten Regionen gereist, und der Herzog von Chartres hat bei seiner Ascension am 15. Juli 1784 große Geschicklichkeit und Geistesgegenwart bewiesen. In Lyon haben die Grafen von Laurencin und Dampierre, in Nantes Herr von Luynes, in Bordeaux d’Arbelet de Granges, in Italien der Ritter Andreani, in unseren Tagen der Herzog von Braunschweig die Spuren ihres Ruhms in den Lüften hinterlassen. Um es diesen bedeutenden Persönlichkeiten zuvor zu thun, muß man höher als sie in die Himmelsregionen vordringen! Sich dem Unendlichen nähern, heißt so viel, als die Unendlichkeit begreifen!«
Die zunehmende Verdünnung der Luft dehnte das Wasserstoffgas des Ballons beträchtlich aus, und ich sah, wie sein unterer, mit Absicht leer gelassener Theil anschwoll, so daß das Oeffnen der Klappe nothwendig wurde. Da mein Begleiter nicht geneigt schien, mich nach meiner Weise manoeuvriren zu lassen, so beschloß ich, heimlich das Seil der Klappe zu ziehen, während er lebhaft sprach und gesticulirte. Ich fürchtete zu errathen, mit wem ich es zu thun hatte; doch nein – es wäre zu entsetzlich gewesen, wenn sich meine Vermuthung bestätigte! Wir hatten jetzt drei Viertel auf ein Uhr und waren genau vor vierzig Minuten in Frankfurt aufgestiegen. Von der Südseite her schwebten gegen den Wind dichte Wolken auf uns zu.
»Haben Sie alle Hoffnung aufgegeben, Ihren Combinationen zum Siege zu verhelfen? fragte ich mit sehr eigennützigem Interesse.
– Vollständig! erwiderte dumpf der Unbekannte. Von abschlägigen Antworten und Carricaturen auf’s Tiefste verletzt, habe ich mich endlich
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