Erzählungen
Hérissart, noch keinen Knall gehört – nein, nicht einen einzigen! Das mußte eine schöne üble Laune, manches Donnerrollen und manch’ schweres Unwetter geben, wenn die Jagdtaschen bei der Rückkehr noch ebenso mager waren wie beim Auszuge!
Nun – wird mir’s Jemand glauben? – ich selbst war es, der dazu kam, den ersten Schuß abzugeben. Unter welchen Umständen – hab’ ich die Schande hier mitzutheilen.
Soll’ ich’s denn gestehen? Mein Gewehr war noch nicht geladen. Aus Unachtsamkeit des Novizen? – Nein, es war eine Frage der Eigenliebe. Da ich befürchtete, mich bei dieser Operation sehr ungeschickt zu erweisen, wollte ich damit warten, bis ich allein wäre.
In Abwesenheit von Zeugen öffnete ich also mein Pulverhorn und schüttete in den linken Lauf eine Ladung ein, über welche ein einfacher Papierpfropf zu sitzen kam; darüber eine hübsche Menge Schrot, eher ein Paar Körnchen zu viel als zu wenig. Wer weiß… ein Körnchen mehr rettete mich vielleicht vor dem Schneiderwerden! Das Ganze stopfte ich fest, stopfte, daß ich beinahe die Schwanzschraube des Gewehrs sprengte, und endlich – o Unklugheit! – versah ich den Piston des geladenen Laufs auch noch mit dem nothwendigen Zündhütchen.
Nach vollbrachtem Werke gings nun an den rechten Lauf, aber während ich dessen Ladung fest schlug – welcher Krach! Ein Schuß ging los… die ganze erste Ladung blitzte mir an der zweiten Ladung vorbei!… Ich hatte vergessen den Hahn des linken Laufes auf das Zündhütchen herabzulassen, und eine Erschütterung hatte hingereicht, ihn auszulösen!
Das mögen sich Neulinge hinter die Ohren schreiben! Beinahe hätte ich die Eröffnung der Jagd im Departement der Somme mit einem beklagenswerthen Unfall begangen. Da hätten die Localblätter einen fetten Stoff für ihre Rubrik »Verschiedenes« gehabt!
Und doch, wenn in dem Augenblick, wo der Schuß hinausdonnerte… wenn – ja, dieser Gedanke kam mir wirklich – nun in der Richtung, welche die Schrotladung nahm, gerade ein Stück Wild vorübergeflogen wäre, hätte ich’s ja unzweifelhaft erlegt!… Das war vielleicht eine Gelegenheit, die mir nicht wiederkehrte.
VI.
Inzwischen hatten Brétignot und seine Gefährten die kleine Anhöhe erreicht. Hier angekommen, beriethen sie über Mittel und Wege, ihr Mißgeschick zu beschwören. Ich schloß mich ihnen wieder an, nachdem ich diesmal mein Gewehr mit größter Vorsicht wieder geladen hatte.
Da redete mich Maximon an, d. h. in einem Tone, wie er einem Meister zukam.
»Sie haben geschossen? sagte er.
– Ja!… das heißt… ja!… ich habe geschossen…
– Ein Rebhuhn?
– Gewiß ein Rebhuhn!«
Um Alles in der Welt hätt’ ich meine Ungeschicklichkeit vor diesem Areopag nicht eingestanden.
»Und wo ist dieses Rebhuhn? fragte Maximon, meine leere Jagdtasche mit dem Ende seines Gewehres berührend.
– Verloren! versicherte ich mit frecher Stirn. Was meinen Sie? Ich hatte ja keinen Hund. Ja, wenn ich einen Hund gehabt hätte!«
Nun, bei so vielversprechendem Anfange kann’s Einem doch nicht fehlen, ein richtiger Jäger zu werden.
Da rettete mich glücklich eine unerwartete Unterbrechung. Pontcloué’s Hund hatte in der Entfernung von kaum zehn Schritten eine Wachtel aufgejagt. Unwillkürlich, wenn man will, aus reinem Instinct legte ich an und… Pang! – wie Matifat sagte…
Da kriegte ich aber eine Ohrfeige zur Strafe für meine fehlerhafte Gewehrhaltung, ja eine Ohrfeige, für die man nur Niemand Anderen mit Recht verantwortlich machen kann. Dem Krachen meines Gewehres folgte sofort das eines anderen, nämlich der Flinte Pontcloué’s.
Durchlöchert wie ein Sieb fiel die Wachtel zur Erde, und der Hund überbrachte sie seinem Herrn, der sie ganz gemüthsruhig in die Jagdtasche versenkte.
Man that mir nicht einmal die Ehre an, zu vermuthen, daß ich doch auch Theil an diesem Morde haben könne. Doch ich sagte nichts, ich wagte nichts zu sagen. Es ist bekannt, daß ich von Natur furchtsam bin gegenüber Leuten, welche von einer Sache mehr verstehen als ich.
Meiner Treu, dieser erste Erfolg hatte den anderen wüthenden Wildverwüstern ordentlich Appetit gemacht. Man denke nur! Nach dreistündigem Jagen eine Wachtel auf sieben Jäger! Nein, es war unmöglich, daß dieser reiche Jagdgrund von Hérissart nicht noch eine andere enthalten hätte, und wenn es gelang, diese zu erlegen, so kam schon fast eine drittel Wachtel auf jeden Combattanten.
Nach Uebersteigung der Höhe
Weitere Kostenlose Bücher