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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Glanze feiern wollte, war man mit vielfachen Vorbereitungen beschäftigt. Die Fresken, welche nach spanischer Sitte seine Wohnung schmückten, erfuhren eine sorgfältige Erneuerung; geschnitzte Möbel von kostbarem, wohlriechendem Holze erfüllten die Salons, die eine wohlthuende Frische athmeten; seltene Gewächse, Erzeugnisse der heißen Zonen, umwanden die Balustraden und schmückten die Terrassen.
    Das junge Mädchen aber hatte keine Hoffnung mehr, da der Sambo keine hatte, und der Sambo hoffte nicht mehr, da er am Arme jenes Zeichen der Hoffnung nicht trug! Liberta hatte den alten Indianer wiederholt beobachtet … er hatte nichts entdecken können!
    O, wären der armen Sarah die Regungen seines Herzens bekannt gewesen, sie wäre in ein Kloster entflohen, um dort ihr Leben zu beschließen! Unwiderstehlich durch die Lehren der katholischen Kirche angezogen, und durch den Pater Joachim heimlich getauft, hatte sie sich dieser Religion, welche mit der Sehnsucht ihres Herzens so wunderbar übereinstimmte, voll und innig angeschlossen.
    Pater Joachim, der jedes Aufsehen vermeiden wollte, und übrigens mehr in seinem Breviarium als im Menschenherzen zu lesen pflegte, ließ Sarah unbeirrt an Martin Paz’ Tod glauben. Die Bekehrung des jungen Mädchens kümmerte ihn am meisten, und weil er diese durch eine Verbindung mit Andreas Certa am Besten gesichert glaubte, so versuchte er ihr, da ihm die Nebenumstände bei jener unbekannt blieben, nur noch zuzureden.
    Endlich war der bestimmte Tag, der Tag der Freude für den einen und der des Herzeleids für den andern Theil gekommen. Andreas Certa hatte wohl die ganze Stadt zu seiner Hochzeitsfeier eingeladen; von den vornehmen Familien, die sich durch mehr oder weniger begründete Ausreden entschuldigten, wurden seine Einladungen insgesammt höflich abgelehnt.
    Inzwischen war die Stunde zur Vollziehung des Ehecontractes gekommen doch das junge Mädchen erschien nicht …
    Der Jude Samuel wurde von einer geheimen Unruhe geplagt; Andreas Certa runzelte die Augenbrauen mit einer Miene, welche seine Ungeduld verrieth. Auf den Gesichtern der Gäste malte sich eine gewisse Verlegenheit, während Tausende von Kerzen, deren Licht die prächtigen Spiegeln zurückwarfen, die Salons mit blendendem Glanze erfüllten.
    Draußen auf der Straße irrte ein Mann in tödtlicher Angst umher: es war der Marquis Don Vegal.
     

    »Da das Mädchen in Thränen schwimmt« … (S. 258.)
VIII.
    Sarah war, eine Beute der fürchterlichsten Angst, allein geblieben; sie vermochte ihr Zimmer nicht zu verlassen.
     

    »Unsere heiligsten Interessen werden also einem Weibe geopfert? …« (S. 260.)
     
    Einen Augenblick erschien sie, um ihre Erregung zu dämpfen, auf dem Balcon, der nach dem inneren Garten hinaus lag.
    Plötzlich bemerkte sie einen Mann, der unter der Magnolienallee dahinglitt. Sie erkannte Liberta, ihren Diener. Liberta schien einen unsichtbaren Feind, der sich bald hinter einer Statue verbarg, bald sich zur Erde bückte, zu belauern.
    Jetzt erbleichte Sarah. Liberta lag mit einem hochgewachsenen Mann im Kampfe, der ihn niedergeworfen hatte, und ein halbersticktes Röcheln verrieth, daß eine kräftige Hand die Lippen des Negers verschließen mußte.
    Schon wollte das junge Mädchen um Hilfe rufen, als sie die beiden Männer sich wieder erheben sah. Der Neger schaute seinen Gegner an.
    »Ihr! Ihr seid es?« sagte er.
    Er folgte dem Manne, der, noch bevor Sarah einen Schrei auszustoßen, im Stande war, ihr ebenfalls wie ein Gespenst aus der anderen Welt erschien. Und so wie der Neger unter dem Knie des Indianers seufzte, konnte auch das junge Mädchen, gefesselt von dem Blicke Martin Paz’, nur die Worte sprechen:
    »Ihr! Ihr seid es!«
    Martin Paz richtete seine Augen auf sie und sprach:
    »Hört denn die Braut nicht das Rauschen des Festes? Die Gäste drängen sich in den Sälen, um ihr freudeschimmerndes Antlitz zu sehen! Soll sich ihnen ein Schlachtopfer zeigen? Kann sich das Mädchen mit den vor Schmerz gebleichten Zügen dem Bräutigam vorstellen?«
    Sarah hörte kaum, was Martin Paz zu ihr sprach.
    Der junge Indianer fuhr fort:
    »Da das Mädchen in Thränen schwimmt, so richte es seine Augen doch über das Haus seines Vaters hinaus, weit über die Stadt, in der es leidet!«
    Sarah erhob den Kopf. Martin Paz hatte sich hoch aufgerichtet und wies mit ausgestrecktem Arme nach den Cordilleren, dem Wege zur Freiheit.
    Mit unwiderstehlicher Gewalt fühlte sich Sarah zu ihm gezogen. Schon

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