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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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halbverzweifelte Martin Paz vermochte seine Sehnsucht nicht zu unterdrücken, zu wissen, was aus der jungen Jüdin geworden sei. Dank seiner spanischen Kleider konnte er sich wohl unter die Gesellschaft in einem Spielsaale mischen und den Gesprächen der Gäste lauschen. Andreas Certa war eine zu sehr stadtbekannte Persönlichkeit, als daß seine Hochzeit, wenn sie nahe bevorstand, nicht hätte in Aller Munde sein sollen.
    Eines Abends also wendete sich der Indianer, statt nach der Meeresküste zu, nach den hohen Felsen, auf denen die Hauptgebäude von Chorillos lagen, und betrat eines der Häuser, zu dem eine breite steinerne Treppe hinaufführte.
    Das war das Spielhaus. Für mehr als einen Limenser war der Tag ungünstig gewesen. Einige ruhten, von den Anstrengungen der vergangenen Nacht ermüdet, in ihren Puncho gehült, auf der Erde. Andere saßen vor einem großen mit grünem Tuche bedeckten Tische, den zwei sich rechtwinkelig schneidende Linien in vier Felder theilten. Auf jeder der Abtheilungen befanden sich die ersten Buchstaben der Worte azar und
suerte
(Zufall und Schicksal),
A
und
S
. Die Spieler setzten auf einen der beiden Buchstaben, der Banquier hielt dieselben Einsätze dagegen und schüttelte zwei Würfel auf den Tisch, deren Augen den Gewinnst oder Verlust von
A
und
S
ergaben.
    Gerade jetzt gestaltete sich das Spiel sehr lebhaft. Ein Mestize suchte sein unglückliches Spiel mit aller Gewalt wieder auszuwetzen.
    »Zweitausend Piaster!« rief er.
    Der Banquier würfelte und dem Spieler entfuhr ein leiser Fluch.
    »Viertausend Piaster!« rief er von Neuem.
    Er verlor auch diese.
    Martin Paz konnte, vom Halbdunkel des Saales geschützt, dem Spieler in’s Gesicht sehen.
    Es war Andreas Certa.
    Dicht neben ihm stand der Inde Samuel.
    »Sie haben genug gespielt, Señor, sagte Samuel; das Glück lächelt Ihnen heute nicht.
    – Was kümmert das Sie!« antwortete auffahrend der Mestize.
    Samuel neigte sich zu seinem Ohre.
    »Wenn es auch mich nichts angeht, sagte er, so sollten Sie doch in den letzten Tagen vor Ihrer Hochzeit dieser Gewohnheit nicht fröhnen!
    – Achttausend Piaster!« lautete Andreas Certas einzige Antwort, wobei er jene Summe auf
S
setzte.
    Das
A
gewann. Der Mestize stieß eine leichte Verwünschung aus. Der Bankhalter fuhr fort:
    »Wollen Sie pointiren, meine Herren!«
    Andreas Certa zog einen Haufen Papiergeld aus der Tasche und wollte eine sehr beträchtliche Summe wagen; er legte sie auf eines der Felder, und schon wollte der Bankhalter die Würfel rollen lassen, als ihn ein Zeichen Samuel’s einhalten ließ. Nochmals neigte sich dieser zu dem Ohre des Mestizen und sagte:
    »Wenn Ihnen nichts übrig bleibt, unsern Handel abzuschließen, so zerfällt Alles!«
    Andreas Certa zuckte mit den Schultern; doch nahm er sein Geld zurück und verließ wüthend den Saal.
    »Fahren Sie nun fort, sagte Samuel zu dem Bankhalter. Jenen Señor werden Sie nach seiner Hochzeit noch zeitig genug ruiniren!«
    Der Banquier verbeugte sich, denn der Jude war der Gründer und Eigenthümer der Spiele in Chorillos. Ueberall, wo es einen Real zu gewinnen gab, traf man auf diesen Mann.
    Samuel folgte dem Mestizen, und als er ihm auf dem steinernen Vorplatze fand, sagte er zu ihm:
    »Ich habe Ihnen noch ungemein wichtige Dinge mitzutheilen. Wo können wir in Sicherheit reden?
    – Wo Sie wollen! antwortete kurz Andreas Certa.
    – Señor, lassen Sie sich von Ihrer üblen Laune die Zukunft nicht verderben! Ich vertraue mich nicht den dichtverschlossensten Zimmern an, nicht der Einöde, um Ihnen mein Geheimniß zu verrathen. Was Sie mir theuer bezahlen, verdient auch vorsichtig behütet zu sein!«
    Mit diesen Worten waren die beiden Männer bis nach dem Strande zu den für die Sommergäste bestimmten Badehütten gekommen. Sie bemerkten nicht, daß sie von Martin Paz, der ihnen im Dunkeln wie eine Schlange nachglitt, gesehen und gehört wurden.
    »Nehmen wir ein Boot, schlug Andreas Certa vor, und rudern in’s offene Meer hinaus.«
    Mit diesen Worten löste er ein kleines Fahrzeug vom Ufer und warf dem Wächter desselben einige Geldstücke zu. Samuel stieg mit ihm ein und der Mestize stieß das Boot ab.
    Sobald aber Martin Paz das Canot sich entfernen sah, entkleidete er sich, hinter einem Felsenvorsprunge verborgen, eiligst, behielt nur einen Gürtel um mit dem Dolche darin, und schwamm rasch dem Fahrzeuge nach.
    Eben erloschen die letzten Strahlen der Sonne im Pacifischen Oceane, und schweigend verhüllten

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