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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gérande; aber denken Sie an meine Worte, daß Ihre Uhren nie gehen und Aubert und Gérande sich nie gehören werden!«
    Und damit stand der greisenhafte kleine Mann auf und verließ die Werkstätte; er eilte jedoch so wenig, daß Meister Zacharius noch deutlich hören konnte, wie es in seiner Brust sechs Uhr schlug.
Viertes Capitel.
Die St. Peterskirche.
    Trotzdem Geist und Körper des Meister Zacharius immer schwächer wurden, kehrte er mit gewaltsamer Ueberaufregung zu seinen Uhrmacherarbeiten zurück, und zwar mit solcher Hartnäckigkeit, daß Gérande ihn nicht davon abziehen konnte.
    Sein Stolz war noch maßloser geworden seit der Krisis, die der seltsame Gast in so perfider Weise bei ihm heraufbeschworen hatte, und er war entschlossen, jenem bösen Einfluß, der so schwer auf seinem Werk und auf ihm selbst lastete, die Spitze zu bieten. Meister Zacharius revidirte zuerst die verschiedenen, seiner Sorgfalt unterstellten Stadtuhren; er versicherte sich mit scrupulösester Genauigkeit, daß das Räderwerk in Ordnung, die Zapfen fest waren, und die Gegengewichte einander ausglichen. Er horchte auf die Töne der Glockenspiele so gewissenhaft, wie der Arzt die Brust des Kranken untersucht, aber nichts verrieth, daß die Uhren kraftloser geworden wären.
    Ost ließ sich der alte Uhrmacher von Aubert und Gérande auf diesen Wegen begleiten; er hätte gewiß mehr Freude in dieser Welt gehabt und wäre in Bezug auf sein bevorstehendes Ende weniger sorgenvoll gewesen, hätte er mehr daran gedacht, daß seine Existenz sich in diesen geliebten Wesen fortsetzte, und daß in den Kindern immer etwas von ihrem Vater fortlebt.
    Als der alte Uhrmacher wieder nach Hause gekommen war, nahm er seine Arbeiten von Neuem mit fieberhafter Emsigkeit auf. Obgleich er von vornherein wußte, daß seine Versuche mißlingen würden, konnte er es doch nicht lassen die Uhren, von denen ihm immer neue in seine Werkstätte gebracht wurden, auseinander zu nehmen und wieder zusammenzusetzen.
    Aubert zermarterte schon lange vergeblich sein Hirn, jedoch ohne die Ursache des Uebels zu entdecken.
    »Es kann doch nur von der Abnutzung der Zapfen und Verzahnungen herrühren, sagte er eines Tages zu seinem Meister.
    – Du findest wohl Gefallen daran, mich bei langsamem Feuer zu braten? entgegnete heftig Meister Zacharius. Sind diese Uhren vielleicht das Werk eines Kindes? Habe ich, aus Furcht, mich auf die Finger zu klopfen, die Oberfläche der Kupferstücke auf der Drehbank nicht gehörig geglättet? Nein, um eine größere Härte zu erzielen, schmiedete ich ‘sie selbst, und so sind die Federn mit seltener Vollendung gehärtet. Kann man sie mit einem feineren Oel anfeuchten, als ich dazu verwendete? Du mußt selbst gestehen, daß das unmöglich ist, und wirst nach alledem endlich zugeben müssen, daß der Teufel hierbei die Hand im Spiele hat.«
    Und von Morgen bis Abend strömten wieder unzufriedene Kunden in das Haus und überfielen mit ihren Klagen den alten Uhrmacher, der nicht mehr wußte, auf wen er hören und wem er antworten sollte.
    »Diese Uhr bleibt nach und läßt sich nicht reguliren! sagte der Eine.
    – Meine Uhr ist stehen geblieben wie die Sonne Josua’s, berichtete ein Anderer, und ich kann sie nicht wieder in Gang bringen.«
    Die Meisten aber sagten: »Wenn es wahr ist, Meister Zacharius, daß Ihre Gesundheit auf Ihre Uhren einwirkt, so wünschen wir Ihnen von Herzen baldige Genesung.«
    Der Greis sah die Klagenden mit wirren Augen an und antwortete mit Kopfschütteln oder mit traurigen Worten:
    »Lieben Freunde, wir wollen abwarten, bis die Tage wieder warm und schön werden; dann wird mein matter alter Körper sich wieder beleben und stärken; die Sonne muß uns Alle erwärmen und Jedem von uns wohlthun!
    – Nun, das wäre uns gerade Recht! meinte Einer der Rücksichtslosesten; also den Winter über sollen unsere Uhren stehen bleiben? Ihr Name, Meister Zacharius, ist auf jedem Zifferblatt voll ausgeschrieben, aber, bei der heiligen Jungfrau, die Uhren machen dem Namenszug wenig Ehre!«
    Endlich konnte der Meister diese Vorwürfe nicht länger ertragen; er holte einige Goldstücke aus seiner alten Truhe hervor und begann die unbrauchbaren Uhren zurück zu kaufen. Und nun eilten die Kunden in Mengen herbei, und das mühsam ersparte Geld des armen Hauses schmolz schnell, sehr schnell dahin; die Rechtlichkeit des Kaufmanns aber war gerettet, Gérande billigte hochherzig dies Zartgefühl, das sie geradeswegs dem Ruin

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