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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die fleischlosen Knochen unter den Todtenköpfen über Kreuz zu legen pflegen. Dann fuhr er in ironischem Tone fort:
    »Sagen Sie, Meister Zacharins, was gehen jetzt für wunderliche Sachen in der guten alten Stadt Genf vor? Es wird allgemein behauptet, daß Ihre Gesundheit gelitten hat, und daß auch Ihre Uhren sich nach einem Arzte umsehen müßten.
     

    Das seltsame Geschöpf sprang auf den Ledersessel. (S. 111.)
     
    – Ah! danach scheinen Sie zu glauben, daß zwischen meinen Uhrwerken und mir eine innige Beziehung existirt!
    – Nun, ich denke mir eben, daß diese Uhren wohl Mängel und Fehler haben. Wenn sie sich unregelmäßig aufführen, wird man sie zur Raison bringen müssen; es ist jedenfalls ihre eigene Schuld, wenn sie nicht gehen.«
    Meister Zacharius erröthete unwillkürlich vor Zorn über den sarkastischen Ton, in dem der Kleine sprach.
    »Was nennen Sie Mängel und Fehler? fragte er; die Uhren haben kein Recht mehr, auf ihren Urheber stolz zu sein.
    – Nun, nicht gerade all zu sehr! gab der Kleine zu, sie führen jedoch einen berühmten Namen, der auf ihrem Zifferblatt eingravirt steht, und der ihnen Zutritt in die edelsten Häuser und hochstehendsten Familien verschafft. Seit einiger Zeit aber beginnen die Uhren abzuweichen, und Sie, Meister Zacharius, sollen nichts dagegen thun können; der ungeschickteste Lehrling aus ganz Genf würde Sie deshalb zur Rede stellen dürfen!
    – Mich, mich, den Meister Zacharius! rief der Greis mit einer Stimme, aus der furchtbar verletzter Stolz klang.
    – Ja wohl, Sie, den Meister Zacharius, der seinen Uhren nicht wieder zum Leben verhelfen kann!«
    Der alte Uhrmacher stöhnte laut auf, und ein kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    »Es kommt einfach daher, daß ich das Fieber habe, sagte er, und ich glaube, die Uhren haben es auch!
    – Nun, da Sie, wie es scheint, ganz außer Stande sind, wieder Elasticität in ihre Federn zurückzubringen, werden Ihre Uhren mit Ihnen sterben.
    – Sterben? Nein, Sie haben es selbst gesagt, ich werde nicht sterben; ich, der erste Uhrmacher der Welt, der mittels verschiedener Stücke und Rädchen die Bewegung der Uhren mit absoluter Präcision zu reguliren verstanden hat. Mußte sich nicht die Zeit genau meinen Gesetzen unterwerfen, und kann ich demgemäß nicht als Gebieter über sie verfügen? In welch endloser Zeitverwirrung haben sich die Geschicke der Menschen abgesponnen, ehe mein Genie diese pfadlos irrenden Stunden in regelrechte Ordnung brachte? Aber Sie, Mensch oder Teufel, wer Sie sein mögen, haben wohl noch nie an die Herrlichkeit meiner Kunst, die alle Wissenschaften in ihren Dienst zieht, gedacht? Nein, nein! ich, der Meister Zacharius, kann nicht sterben, denn da ich die Zeit geregelt habe, würde sie mit mir zu Ende gehen. Sie würde in die Unendlichkeit, aus der mein Genie sie gerissen hat, zurückkehren, und dann unwiederbringlich im Abgrunde des Nichts verloren sein! Nein, ich kann ebenso wenig sterben, als der Schöpfer dieses Weltalls. Ich bin ihm gleich geworden und theile seine Macht, denn wenn er die Ewigkeit erschuf, so habe ich die Zeit geschaffen.«
    Der alte Uhrmacher glich dem gefallenen Engel, der sich gegen seinen Schöpfer empört, und das wunderliche kleine Ungethüm ihm gegenüber schien ihn mit seinen Blicken zu liebkosen und sich dieser gottlosen Ausfälle fast freuen.
    »Brav gesprochen, Meister! rief er jetzt. Beelzebub hatte weit weniger Recht, sich Gott gleich zu stellen als Sie. Ihr Ruhm darf nicht untergehen, um so weniger, als ich, Ihr Diener, Ihnen gern das Mittel sagen will, um die rebellischen Uhren wieder in Gang zu bringen.
    – Was ist das für ein Mittel? rief Meister Zacharius.
    – Sie sollen es erfahren, Meister, aber erst an dem Tage, an welchem Sie mir die Hand Ihrer Tochter bewilligt haben.
    – Meine Gérande?
    – Ja, Ihre Gérande, Meister.
    – Das Herz meiner Tochter ist nicht mehr frei, warf Meister Zacharius ein. Die sonderbare Werbung schien ihn weder in Erstaunen zu setzen noch zu beleidigen.
    – Bah!… Gérande ist nicht die wenigst schönste Ihrer Uhren… aber schließlich wird auch sie stehen bleiben…
    – Wie! meine Tochter? meine Gérande?… Nein!…
    – Kommen wir auf Ihre Uhren zurück, Meister Zacharius; setzen Sie sie zusammen und nehmen Sie sie auseinander, so viel Ihnen beliebt! Bereiten Sie Alles für die Hochzeit Ihrer Tochter und Ihres Gehilfen vor! Härten Sie Ihre aus bestem Stahl gefertigten Federn! Segnen Sie Aubert und die schöne

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